Samstag, 24. Dezember 2011

Treffen wir uns in der Mitte?

“How many special people change
How many lives are living strange
Where were you when we were getting high?”
(Oasis – Champagne Supernova)

Bei sieben Milliarden Menschen auf der Welt frage ich mich aus gegebenem Anlass zur Zeit des Öfteren, wie jeder Einzelne so lebt. Wer hat eine Macke, wer hat zehn davon? Wer behauptet, keine zu haben?

Was aber die viel wichtigere Frage ist: 
Wer nimmt sich heraus zu urteilen?
Ich habe in letzter Zeit durch wechselnde Arbeit und verschiedene Länder die unterschiedlichsten Menschen kennen gelernt und mittlerweile gemerkt, dass ich so viele davon zu schätzen weiß, selbst wenn sie komplett anders leben, als ich es tue, andere Wertvorstellungen pflegen oder mich als Menschen viel weniger wahrnehmen, als ich sie.
Das alles zählt aber nicht. Viel wichtiger ist es doch, von jedem etwas mitzunehmen.

In einer Welt, die so verschiedene Menschen auf die unbeschreiblichsten Weisen zusammenbringt, gibt es oftmals große Explosionen. Muslime und Christen verlieben sich und einer von beiden wird gezwungen, seinen Horizont zu erweitern, sprich: entweder auf 72 wartende Jungfrauen (plus/minus) im Himmel zu verzichten oder sich ein Kopftuch übers europäische Haar zu werfen. „Wir werden irgendwann in unserer Beziehung an eine Grenze kommen. Ich will nur, dass dir das bewusst ist.“ Während der eine das als Problem sieht, erwidert der Andere: „Ich weiß. Aber das ist doch der Reiz, wenn man das Risiko auf sich nimmt und nicht nur über den Tellerrand schaut, sondern springt.“ Und dann ist der Muslime still und ob er sich heimlich von seinem himmlischen Willkommens-Komitee verabschiedet, das weiß nur er.
Dann gibt es welche, die anfangen, ihre Krankheit zu akzeptieren und schließlich aufstehen. Sie verschwinden für Wochen, nicht aus den Herzen, aber irgendwie erst mal aus der Realität. Sie entscheiden sich bewusst für den Weg der Heilung und unterbrechen diesen nicht mal an Weihnachten. Sie ziehen es durch und sie werden stärker und optimistischer und am Ende sagen sie, dass sie so „Bock aufs Leben“ hätten, dass man sich selbst fragt:
Wo ist eigentlich mein Hunger auf mein eigenes Leben?

Es gibt so viele unterschiedliche Lebensweisen, dass es mir einfach unmöglich erscheint, über einzelne ein Urteil zu fällen. Ich habe eine Freundin, die so spät angefangen hat zu rauchen, dass es schon fast traurig ist. Ich habe einen Freund, der auf HipHop steht und mit meiner Musik nichts anfangen kann – also hören wir gemeinsam Jazz, denn das ist die Schnittstelle. Und wiederum ein anderer Mensch in meinem Leben findet jeden Film, den ich mag, scheiße. Also bestehen unsere Konversationen aus Diskussionen. Wem das zu anstrengend ist, der kommt halt nie an den Punkt, wo „Störung zur Reibung führt und Reibung zur Wärme.“ Chance vertan.
Ich selbst erlebe es, verurteilt zu werden und dann merke ich, dass ich mich aber auch bewusst dagegen entscheiden kann. Ich habe meine Lebensweise teilweise sorgfältig, teilweise beschwippst überdacht und dann verkündet, dass ich sie ehrlich gesagt ziemlich fabulös finde und nein, ich stimme keiner Verurteilung zu – wie auch, kein anderer Mensch hat eine Ahnung, niemand ist jemals in meinen Schuhen gelaufen (nicht mal in diesen ganz schlimmen Buffalos, Baujahr 1997) und vor allem hat mir bis jetzt keiner meine Entscheidungen abgenommen.

Wir wachsen alle immer mehr zusammen und das sollten wir auch langsam mal im Herzen. Wer hat überhaupt die Zeit, den ganzen Tag zur urteilen? Ich nicht, denn in meiner freien Zeit lerne ich Menschen kennen, die so sind, wie sie sind – das ist spannend genug, da muss ich gar nichts hinzudichten oder mit fiesen Sprüchen kompensieren, dass ich jemanden hübscher, erfolgreicher, intelligenter oder schlanker finde. Derjenige denkt sich sowieso das Gleiche über mich, also drehen wir uns folglich nur im Kreis.

Ich weiß, dass es schwierig ist, Menschen so viel Raum zu geben, wenn die Emotionen dazukommen. Manchmal will man jemanden schütteln, man möchte ihn vor den Fernseher platzieren, fesseln, 10 Stunden mit deutscher Comedy missbrauchen und anschließend mit Justin Bieber auf Welttournee schicken. Aber was hilft es, wenn man den anderen nicht ändern kann? Wenn Werte so tief sitzen, wie der Tiefspüler mancher Toiletten und wenn Emotionen so festgefahren sind, dass es einfacher erscheint, an Weihnachten einen Osterhasen aufzutreiben, als sie loszulösen? Nichts, nada, Finger weg. Menschen kann, darf, soll man nicht verändern. Vielleicht ein bisschen sticheln, hier und da ein wenig erpressen und manipulieren, gerade gegenüber Männern erweisen sich diese Mittel als äußert zweckerfüllt und rein intuitiv genutzt. Aber das war’s dann auch schon.

Es gibt sieben Milliarden Menschen auf der Welt. Und jeder ist nur auf der Suche nach Liebe. Während er sucht, macht er andere Erfahrungen, er schlägt andere Wege ein und lernt andere Menschen kennen – wie soll er denn dann so sein, wie du?
Übrigens gibt es sehr viele, die überhaupt nicht in Schuhen laufen. Und das ist ja wohl mal so richtig spannend.

-Für unsere Alice, die gerade noch im Wunderland ist-
© 2011 Ani

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Mir reicht's, ich geh ins Bett.

Natürlich wusste ich schon vorher, dass ich wirklich wütend werden kann. Schließlich bin ich Widder, wir sind quasi dazu verpflichtet.

Aber heute war ich so wütend, wie schon lange nicht mehr und ich kann sie gar nicht wirklich greifen, diese Wut.
Aneinanderreihungen von schlechten Ereignissen nennt man in der Fachsprache eine „Abwärtsspirale“, deren Existenz ich absolut unterschreiben kann.
Es gibt z. B. Tage, an denen man alles verpasst, was es zu verpassen gibt. Straßenbahnen, U-Bahnen, wichtige Telefonate, Öffnungszeiten der Bank, wahlweise auch gerne der Post – die hat nämlich immer geschlossen – , Chancen, Schuh-Sale, gute Lacher, das Taxi nach Hause.
Alles halb so dramatisch, wäre da nicht diese Endlosspirale, in die man sich hineingezogen fühlt. Ich habe Letzt erst angefangen zu weinen, weil mir meine Reiswaffel auf den Boden gefallen ist. Da war's einfach zu Ende, irgendwann ist auch mal Schluss und beim Essen sowieso.

Dass man an solchen Tagen wütend wird, ist verständlich. Und dann sollte man auch in Ruhe gelassen werden, andere in Ruhe lassen, sich eine Tasse Tee kochen und Jazz hören. So mache ich das jedenfalls.

Aber dann gibt es eben auch so eine unterschwellige, lauernde Wut. Tagelang trug ich sie mit mir herum. Diese Mädchenmomente, in denen immer wieder die Tränen in die Augen steigen, aber man tapfer weiter lächelt, Hände schüttelt und sagt: Vielen Dank für die Chance und die Zeit, die Sie sich für mich genommen haben. Kam das aus meinem Mund? Wann hatte ich angefangen, erwachsene Sätze zu formen, die meinen Gefühlen meilenweit voraus waren?

Ich war wütend, ja, verdammt nochmal, und auf einmal kam sie hoch und ich bemerkte, dass ich nicht wütend war auf die Jobabsage, nicht auf den ausstehenden Anruf (naja, vielleicht ein bisschen), auch nicht, weil ich nie Waschmünzen habe, wenn ich sie brauche und schließlich auch nicht darauf, dass ich es ernsthaft schaffe, in einem 1-Zimmer-Apartment Dinge zu verlieren.

Ich war wütend auf mich selbst. Und dann war ich wütend, weil ich wütend war, es aber nicht sein wollte.
Warum hatte ich wiedermal nicht das geschafft, was ich mir vorgenommen hatte? Wie oft wird einem eigentlich das Ziel vor die Nase gehalten, um dann doch wieder zurückgezogen zu werden?
Es reicht nicht.
Diesen Satz kann ich selbst schon nicht mehr hören. Und dennoch spukt er in den Windungen meines Gehirns herum und selbst, wenn ich nachts aufwache, pocht er an meine Kopfwände.
In so vielen Lebenslagen bekommt man diesen Satz zu hören. Menschen trennen sich, weil die Gefühle nicht mehr reichen. Andere streiten sich, weil die Argumente für eine Diskussion nicht mehr reichen. Und wiederum Andere fahren jedes Jahr in den Harz, weil das Geld nicht reicht für den bayerischen Wald.

Und zu guter Letzt kam da noch die Liebe, bzw. Nicht-Liebe. Während ich tagelang nach den passenden Worten suchte, um in einer anderen Sprache auszudrücken, dass es eben simply not enough ist, kam mir ein ganz anderes Missverständnis zuvor. Dank Ferngespräch, wenig Empfang, Gestammel und charmanten Lachens meinerseits, wurde ich auf einmal mit einer Sängerin verglichen, die sich vor langer Zeit in die Herzen trällerte, weil sie für ihren Liebsten eintausend Meilen laufen würde.
Dabei wollte ich doch eigentlich nur sagen, dass es eben nicht reicht, um so weit zu laufen. Ich gab auf und legte auf.

Es reicht nicht. Für wen eigentlich? Reichst du denn dir selbst? Das wäre schon mal der Anfang.
Aber so ein bisschen Anerkennung von außen wäre schon nett und damit schließt sich wieder der Ego-Kreis der Anerkennung, nach der wir doch alle im Grunde so fieberhaft lechzen.

Ich bin wütend. Und ich bleibe es noch mindestens zwei Stunden lang. Der Guru sagt: Du bist wütend, weil du Angst hast. Gut, damit kann ich leben und ich stehe dazu, wie so viele meiner Generation. Ja, wir haben alle Angst. Reicht das nun für heute?

© Ani 2011

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Ich schäme (mich), also bin ich (weiblich).

Was ich grundsätzlich nie verstanden habe ist das Pinkeln im Stehen.
Warum?


Sichtlicher Vorteil ist der Hygienefaktor, schon klar.


Aber was ist denn los, wenn der gute Herr sich eben gerade nicht in den Fängen einer öffentlichen Toilette befindet, sondern in der Wohnung seiner Freundin? Warum pinkelt ein Mann im Stehen und klappt danach nicht einmal die Klobrille nach unten, wenn er doch weiß, dass er sich in einem Bad voller weiblicher Gegenstände in einer Wohnung voller Weiblichkeit befindet? Er denkt sich nichts dabei? Er macht sich nicht einmal die Mühe, darüber nachzudenken, dass solch eine Aktion, äh, unpassend ist? Ist so etwas als Kompliment zu sehen, ein versteckter Liebesbeweis, weil er dadurch Vertrautheit signalisiert?


Jeder Mensch würde lügen, wenn er leugnen würde, dass er sich nicht ab und an in einer unangenehmen Situation befinden oder eventuell die ein oder andere Konversation unter der Gürtellinie führen würde. Aber ich möchte hier mal wieder dezent auf den Unterschied zwischen Männern und Frauen eingehen.


Uns ist fast alles peinlich. Männern ist fast alles egal.

Die Krönung des Ganzen ist dann aber natürlich die, dass, wenn die Frau ihr eigenes Bad betritt und sich ein Bild des Grauens, sprich eine hochgeklappte Toilettenbrille, offenbart, sie diese schleunigst nach unten klappt, sich die Hände wäscht und sich schämt. Wegen der Gesamtsituation.
Wo bleibt da denn die Fairness für's schwächere Geschlecht? Ich finde, dass wir da doch sehr auf der Strecke bleiben, weil wir einmal mehr unser Feingefühl unter Beweis stellen (müssen).

Im Allgemeinen ist ja die allseits bekannte Fremdscham (der Ursprung ist übrigens auf einen Zuschauer einer der ersten Talkshows Mitte der 90er zurückzuführen) auch eher ein Problem von Frauen. Wir sind einfach sensibler gepolt, nachdenklicher und haben grundsätzlich weniger Selbstbewusstsein, als wir uns zugestehen sollten. Daher schämen wir uns mit anderen gleich mal automatisch mit - man weiß ja nie.

Jedenfalls lassen sich diese Gedanken weiterspinnen und finden einen anderen, intimen Punkt: Unterwäsche. Bei. Männern.

Man(n) sollte meinen, dass er einschätzen könnte, welche Bekleidung zu seinem eigenen Körper passt - und welche eben nicht. Dies ist leider nicht immer der Fall. Während ich seitens meiner Freundinnen immer wieder höre, wie viele Gedanken sich diese hübschen Geschöpfe darüber machen, ob sie angesichts ihres Allerwertesten lieber doch zu bedeckenderen Panties greifen sollten, stellt sich der Anabolika-Typ mit heroischem Grunzen vor den Spiegel - dressed very tightly around the belly. Und zwar so was von eng, dass man aus der Suche nach dem Textil gleich eine Safari starten könnte. Solche Exemplare gibt es übrigens auch wahlweise in Neongrün und mit Playboy-Aufdruck. Varianten wie diese sind übrigens nur in den Geschäften zu finden, um ignoriert zu werden.

Alles in allem geht es der Frau in so einigen Situation wirklich an die Substanz, was sich dann dadurch äußert, dass sie sich nicht mal traut, es zu erzählen und sich dadurch davon frei zu machen.
Natürlich könnte sie auch solche Themen bei ihrem Liebsten ansprechen, aber ich schätze mal, dass wir uns alle vorstellen können, dass das nicht nur die Romantik killt, sondern eventuell ganze Beziehungen. Männer haben's ja nicht so mit Kritik. Also kann man ja dann auch gleich Schluss machen, denkt sich die Frau.
Und wenn sie sich wieder gefangen hat, dann nimmt sie all ihren Mut zusammen und erzählt ihre Erfahrungen in einer netten Runde - in der Hoffnung, dass diese Geschichten unter der Hand verbreitet werden. Während sie sich nun Mut antrinkt und ihre Erlebnisse mit der Weltöffentlichkeit teilt, fangen alle Beteiligten an, sich mitzuschämen. Und derjenige, der es nicht tut, ist somit entlarvt und einer der Übeltäter. Eigentlich eine feine Sache, diese Fremdscham, wenn sie nicht im Grunde so viel verlangt wäre. Man leidet ja auch mit, irgendwie. 
© Ani 2011

Dienstag, 29. November 2011

Ich springe. Und freue mich, wenn jemand mitspringt.


Wenn ich in den Himmel schaue und ein Flugzeug sehe, frage ich mich immer, wohin es fliegen wird. Immer. Und jedes Mal merke ich, dass ich drin sitzen möchte, egal, wohin es fliegt.
An einen Ort zu fliegen, wo man einfach nur sein kann – 



Jetzt, wo die Weihnachtszeit beginnt, fange ich an darüber nachzudenken. Dieses vergangene Jahr war für mich (und für viele andere auch) das turbulenteste Jahr in meinem ganzen Leben und ich kann nicht mal sagen, ob ich es schlimm fand. Es gab so unendlich viele Entscheidungen zu treffen, dass ich an einen Punkt kam, an dem mir die Letzte behutsam aus den Händen genommen wurde.

Ich habe meinen Abschluss Ende letzten Jahres gemacht und stelle mich seitdem jeden Morgen einem freiberuflichen Dasein. Es war mein größter Traum und ich bereue nichts, keine Entscheidungen, die ich getroffen habe oder sinnlose Montage, die ich im Bett verbrachte, weil es nichts zu tun gab. All das macht doch nur reifer und wenn man mal weiß, was man nicht will, dann kommt man irgendwann auch da an, wo man tief durchatmet, weil man weiß, was man will.

Mir wurde dieses Jahr das Herz gebrochen und trotzdem ist es immer wieder ein kleines Wunder, wie es sich selbst zusammenflickt. Im März habe ich mich gezwungen gefühlt zu entscheiden, dass ich der partnerschaftlichen Liebe erst einmal den Rücken kehren muss. Was sich dermaßen beschissen anfühlt, um es mal ganz unpassend auszudrücken. Daraufhin bin ich drei Wochen nur gelaufen, dem Meer und der Sonne entgegen und hab trotz aller Tränen zurück zur Liebe gefunden – sie war überall: im Sonnenaufgang über galizischen Bergen, in Gesprächen, im Wein und in länderübergreifenden Freundschaften, von denen ich weiß, dass sie noch lange halten werden. Ich habe sogar gelernt, mit meinen Blasen an den Füßen zu reden und zumindest Freundschaft  mit ihnen zu schließen – bringt ja nichts und außerdem soll man sich doch sowieso immer mit seinen Feinen verbinden. Die sind wenigstens ehrlich.

Im Sommer musste ich dann wiedermal entscheiden, eine Entscheidung, die man niemandem wünscht. Doch man muss und man trifft sie auch und letzten Endes hat man doch das Gefühl, dass sie jemand anders für einen gefällt hat – und alles schaut wieder ganz anders aus.

Nun neigt sich das Jahr mit einer Explosion dem Ende zu, ich habe gegen erneute Entscheidungen wie blöde angestrampelt und mich gewehrt, bis ich zum ersten Mal erleichtert war, dass da wirklich jemand ist, der einem die Tragik aus den Händen nimmt und einen selbst in den Arm.

Alles in allem habe ich dieses Jahr jedoch auch die erstaunlichsten Menschen überhaupt kennengelernt. Menschen, mit denen du  die allseits bekannten Pferde stehlen kannst, mit denen du nächtelang einfach durchlachen kannst, mit denen du Gloria Gaynor-Songs beim Karaoke grölst. Menschen, die dir genau das sagen, was du hören musst. Menschen, die dich auf der Straße erst anlächeln, dann ansprechen.  Die herzlicher zu dir sind, als Teile deiner eigenen Familie. Die sich ins Flugzeug setzen, nur um dich zu sehen. Und zu guter Letzt Menschen, die mehr in dir sehen, als du selbst und sie dir deswegen die Chance geben, von der du so lange geträumt hast.
Wegen all dieser tollen Leute stehe ich nun Ende des Jahres zwar ziemlich geschafft, aber glücklich da und ich bin bereit  zu springen. Ins neue Jahr. Ins Risiko. Ins Flugzeug. 

- Für Mama und Papa -
© Ani 2011

Sonntag, 20. November 2011

Omi, erzähl doch mal!

Heimaturlaub bei den Eltern auf dem Land bedeutet für mich, dass ich so gut wie nie meine Schlafanzughose ausziehe – auch nicht zum Auto fahren – , dass ich mich tagelang nicht schminke, dass ich statt zu duschen, mich in die Badewanne lege (auch im Sommer), dass ich nonstop esse und es genieße, durch das sehr zu wünschen übrig lassende TV-Programm zu zappen – ich selbst besitze nämlich keinen.

So schön es auch ist, seine Familie um sich zu haben, so oft finde ich mich nach ein paar Tagen aber unruhig durch die Wohnung laufend wieder, werfe mich von einem Sofaende zum Anderen und telefoniere stundenlang – mit meinen Freundinnen in München.
Da meine Mutter kürzlich Geburtstag hatte, gab es am folgenden Sonntag Kaffeekränzchen mit Oma und Opa, was eine so wichtige Institution in meinem Leben ist, wie das Amen in der Kirche. Bester Bio-Aldi-Kaffee in Kombination mit Pralinen und Kuchen aus der feinsten Kleinstadt-Patisserie, selbst da schlägt dann doch mein Herzilein pro Heimat!

Meine Oma, welche ich sehr für ihren Humor, weniger für ihre Erzählungen der Wir-hatten-damals-gar-nichts-Geschichten schätze, krönte das Ganze dann in folgender Konversation:

„Bist du gut beschäftigt, wenn du zu Hause bist?
„Ach, naja, geht so.“
„Na, wenn du mal den Richtigen hast, wirst du beschäftigt sein.“
„Den richtigen was? Mann!?“
„Freilich! Für dich gibt’s auch jemanden!“

Schluck. Ich beschloss nicht auszuholen und von meinen nennenswerten, sowie nicht nennenswerten Eroberungen zu erzählen. Sicherlich unglaublich süß gemeint, brachte es mich doch wiedermal zum Nachdenken, bin ich doch schließlich der Meinung, dass bei sieben Milliarden Menschen auf diesem Planeten (umliegende Exemplare ausgeschlossen, sollten aber vielleicht nach eher interessanten Single-Jahren demnächst mit einbezogen werden) es mehr als einen Richtigen gibt. Und wenn man schon mal dabei ist: was oder wer ist denn schon richtig für einen?

Weiter ging es in der gemütlichen Dialekt-Runde mit himmlischen Anekdoten aus Kindheitstagen meiner Mutter und dem dazugehörigen, fabelhaftem Wortspiel, dass die betreuende Internatsschwester meiner Mama Schwester Devota hieß – Gott habe sie selig . Denn während sie eher der herrschsüchtigen Gattung entsprang und ihr meine kleine Mama daher zu rebellisch war, sorgte sie wohl eher kaum mal dafür, ihrem Namen alle Ehre zu machen. Ob man da im Vorfeld durch kontrollierende Namensgebung schon mal dem Temperament entgegen wirken wollte? Man weiß es nicht und wenn Schwester Devota sich so wenig mit Latein beschäftigte, wie ich mit fettarmem Käse, dann weiß sie es leider auch nicht.

So neigt sich auch dieser Ausflug ins Grüne dem Ende zu und ich kann es kaum erwarten, dreckige Großstadtluft zu schnuppern.  Bis dahin rege ich mich ein bisschen darüber auf, dass die Geschäfte um 18Uhr schließen, dass meine geliebte Oma behauptet, ich würde nie etwas zu essen bekommen und dass diverse andere Familienangehörige selig bei Rosamunde Pilcher in Traumwelten hinabtauchen. Da gibt es übrigens immer eine Hauptdarstellerin, die so aufgesetzt nicht devot sein möchte, dass es weh tut und doch immer wieder den richtigen Mann für’s Leben findet. Seufz.
© Ani 2011

Dienstag, 15. November 2011

Anleitung zum Umgehen von Wänden

 Niels Frevert – Ich würd dir helfen, eine Leiche zu verscharren, wenn’s nicht meine ist

„Es schlägt Mitternacht über den Sümpfen
 Du gehst mit einem Spaten voran
Und ich in nassen Strümpfen“

Wer trocknet dann meine Socken zuhause? Kommt überhaupt jemand mit nach Hause?
Ich bin verwirrt, verzweifelt, von Lethargie übermannt und dann doch wieder gebeutelt von Lachanfällen.
Wer ist da, in all diesen Situationen?
Es gibt Tage, an denen tun sich Abgründe auf und während diese sich auftun, scheint die eigene Welt unterzugehen.

Ich selbst war erst in so einer Situation. Ich habe mein Handy auf lautlos gestellt, ich habe die Decke bis ans Kinn gezogen und an die Wand geschaut. Wohl stundenlang, weil es Momente gibt, in denen kein Anruf etwas bringt. Keine besänftigenden Worte, keine Umarmung - nichts hilft und schon gar nicht die Frage nach einem Kaffee. Tja, manchmal fordert man wohl die ganz harte Tour.

Trotzdem macht man meist alles falsch, findet man sich in solchen Momenten wieder. Hat man ein Problem, fängt man an zu googeln und hat danach noch hundert Probleme mehr. Keine gute Idee und trotzdem lässt man die plagenden Gedanken einen von innen durchdringen.

Erst im Nachhinein laufen einem oft Tränen der Erleichterung über das Gesicht, man erzählt seinen besten Freunden davon und gesteht sich ein, dass man halt irgendwie doch hätte anders handeln können.
Ich weiß nicht, wie du so tickst, lieber Leser, aber ich bin ein Mensch, der Extreme anzieht oder von Extremen angezogen wird – zweites ist passiv und somit kann ich ein bisschen Verantwortung von mir schieben.  Jedenfalls, um mal auf den Punkt zu kommen:  wird es lahm, dann tue ich irgendetwas –  nein,  ich lasse etwas zu - , was  die ganze Langeweile aus meinem Leben katapultiert und mich hineinwirft… in andere Zeitzonen, in fremde Arme, in neue Umlaufbahnen oder doch nur nächtelanges Warten auf Perfektion.

Doch wenn dann Momente kommen, die einen ausbremsen, dann sollte man vielleicht wirklich still stehen. So für ne  Zeit lang, bis alles wieder gut ist, sich nicht mehr das Gedankenkarussel dreht, sondern einfach wieder die Lust am Erleben. Doch solange eben nicht alles gut ist, sollte man wirklich jemanden haben, der die Leiche mit einem zusammen verschafft. Nachtaktionen sind die Impulsivsten, meist auch die Dümmsten, oft aber die Hilfreichsten.
Ich behaupte, dass die Menschen, die am wenigsten reden und zugeben, was wirklich nicht passt, schwächer sind als die, die mal zum Telefon greifen und sich einen Hilferuf gestatten. Zur Unsicherheit zu stehen ist definitiv schwieriger, als an Wände zu starren, denn reden schafft Realität. Und andere Meinungen zu sammeln schärft den Weitblick und zwingt zum Nachdenken. 

Doch was tun, solange man das stille Dasein bevorzugt, was hilft, wird man sich da einig? Wie wäre es mit: dem Internet und überflüssigen Blogs den Rücken zuwenden und anstelle dessen alles tun, was einem zur wichtigsten Emotion im Leben zurückbringt: zum Lachen.
© 2011 Ani

Sonntag, 6. November 2011

Pour toujours... Paris.

Dass Paris eine umwerfende Stadt ist und allen voran die Stadt der Liebe… tja, dafür braucht man kein Franzose zu sein, um das zu wissen. Dass aber immer im gleichen Atemzug gesagt wird, dass einfach die vielen Franzosen in dieser Stadt nerven, ist eine augenzwinkernde Tatsache, für die man nicht wirklich Deutscher sein muss, um das zu wissen.

Dass mein Urlaub sich zu etwas gewandelt hat, was ich gar nicht greifen kann und es trotzdem keine Angst macht, hätte ich niemals gedacht. Man kann ja schließlich auch mal an einer Ampel an der Bastille angesprochen werden und dann macht es halt klick.

Diese Franzosen sind schon ein Völkchen für sich. Sie sind von sich selbst überzeugt, sie sind egozentrisch, sie haben meist einen fiesen Akzent, der es unmöglich macht, ihr Englisch zu verstehen – sollte man überhaupt das Glück haben, dass sie mit einem in einer anderen Sprache als Französisch kommunizieren.
Das alles kann ich bestätigen und doch schmunzle ich vor mich hin, denn neuerdings finde ich das tausendmal mehr charmant, als arrogant.

Ich habe mich in diese Stadt zum zweiten Mal verliebt. Nein, falsch. Beim ersten Mal war es Blickkontakt. Beim zweiten Mal war es Liebe auf den allerersten Blick. Dieser warme November, das Licht in den Straßen, die vielen Cafés, die unverschämten Preise, die sie sich leisten (können). Der Sing-Sang in den Straßen, das australische Pärchen, das neben mir im Restaurant saß und schon vor 26 Jahren seine Liebe in Paris gefeiert hatte… wie kann man sich in dieser Stadt jemals streiten, fragte ich mich. Und im gleichen Atemzug dieser Gedanken klingelte mein Handy, weil ich das Glück hatte, den charmantesten und witzigsten Pariser kennengelernt zu haben.
Paris, das ist für mich seit einer Woche nicht nur die plakative Stadt der Liebe, sondern viel mehr. Die Stadt der Spontanität, der Gastfreundschaft, der Geselligkeit und des Lebens. Noch niemals zuvor wurde ich so herzlich aufgenommen und an die Hand genommen, weil die Stadt dunkel wurde und ich mich bewusst fallen lies.
Als ich mitten in der Nacht beschloss, aufzubrechen, krönte meine Taxifahrt alle meiner 48h-Erfahrungen. Glücklich grinsend saß ich auf dem Rücksitz und wurde durch die nächtliche Stadt gefahren, über den Place de la Concorde, vorbei am Arc de Triomphe, angehalten kurz vor dem Eiffelturm, noch schnell den Nachtwächter aus dem Bettchen gescheucht und herzrasend ins eigene Nest geplumpst.
Dich gebe ich nicht wieder her.

Nun sind für mich Franzosen die Sorte von Menschen, die sich zwei Tage später ins Flugzeug setzen, nur um dich zu sehen. Die dich verschlafen anlächeln und im perfektesten Akzent sagen: "Du bist eine kleine Kartoffel." Oder "Lebküchen".

Wenn jemand anfängt, über diese eigenartigen Pariser zu lästern, dann werde ich mich von nun an immer räuspern und sagen: „Entschuldigen Sie, aber ich kenne da ein Mädchen, dessen Geschichte ich Ihnen gerne erzählen würde… vielleicht bei einer Tasse Kaffee und einem Croissant?“

Ich freue mich auf dich, Paris, mon amour.


© 2011 Ani

Sonntag, 23. Oktober 2011

Der Nachthimmel hängt voller Breakbeats.

Wie oft geht es dem Durchschnittsdeutschen auch so, dass er am Wochenende, das heißt wahlweise Samstag oder Sonntag aufwacht, und sich einfach nur denkt:
Uh.
Oder: huch.
Also ich kenne das ja schon ab und an. Nach dem Aufwachen meiner letzten Partynacht dachte ich mir jedoch eher so: eh?

Denn was ich in meiner Handtasche fand, war ein Zettel mit komponierter Musik und ich erinnerte mich sofort an den Typen, der mir das mit den Worten „kannste behalten“ in die Hand gedrückt hat. Wir haben vorher kein Wort ausgetauscht, nein, eher hatte ich ihn unbeholfen angegrinst, da er seinen großen, massigen Körper kaum noch balancieren konnte.
Nachdem ich den Zettel studierte und das ganze schon triumphierend und leicht romantisch auf meiner „To-do Liste in Life“ unter „einen Song für sich schreiben lassen“ abgehakt hatte, beschlich mich die Angst, er wäre ein großes Talent und bräuchte genau den Teil für seinen Durchbruch. Meine Freunde bestätigten das natürlich sofort. Also lief ich durch die Bar und suchte – und fand ihn – am DJ-Pult, wo er die Noten doch tatsächlich dem DJ verticken wollte. Hauchte er ihm wohl dabei auch ein „kannste behalten“ ins Ohr? 
Als er mich angrinste und sagte „sind Sommerferien, schreib danach was neues“ nahm die Ernüchterung seinen Lauf und fand ihren Höhepunkt darin, dass meine Freundin mich auf die Überschrift der Noten aufmerksam machte:
Breakbeats (shuffle).

Na da. Bin stolze Besitzerin von Breakbeats. Bin darüber weder shuffled, noch amused. Obwohl… witzig ist es ja schon. Hake ich es halt auf meiner anderen Liste ab. Die Liste heißt übrigens: „muss nicht sein, bereichert aber immens.“ Komischerweise ist sie länger, als die andere.

Der deutsche Künstler-Mann ist ein absolutes Phänomen. Verschenkt Kunst statt Herz und hat auch sonst nicht viel zu geben, weil er es lieber für sich behält.
Und im Radio läuft auch noch Duran Duran. An solchen Stellen sagt meine gute Freundin ja immer, dass man statistisch gesehen

1. Im Nachtleben niemanden kennenlernt, den man danach wirklich auch kennenlernen kann und, dass (und das kostet mich wirklich Überwindung, hier niederzuschreiben)

2. Der zu kennenlernde Typus doch eher Typ-BWL statt Typ-Nerdbrille mit Wuschelhaaren sein sollte. Auf letztere sei nämlich einfach kein Verlass. Außer vielleicht auf ihre Breakbeats.

Aber das ist wieder ein ganzes anderes Thema.
© 2011 Ani

Ein kalter Kindergarten-Krieg.

Was mich beschäftigt ist so hochexplosiv, dass ich es kaum wage, in die Tasten zu hauen.

Was verboten ist, das will man. Und was man kriegt, das will man nicht. 

Eine so alte Aussage, die mich nie wirklich beschäftigt hat, habe ich doch als liebenswertes Einzelkind immer alles bekommen, was ich wollte. Manchmal bevor ich wusste, dass ich es wollte.

Doch neuerdings ist das anders. Man wird mehr als spontan und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ins Erwachsenen-Sein geschmissen, man findet sich in seinem ersten, eigenen Apartment wieder und sobald die Anfangseuphorie vorbei ist, klingelt leider nicht der Milchmann, sondern der GEZ-Mann.

Man sieht den Tatsachen ins Auge, bald seine erste Steuererklärung machen zu müssen und man findet sich alleine in Yoga-Kursen wieder, weil man gesund und städtisch sein will, aber gleichzeitig ist man doch immer noch das kleine Mädchen, das verschüchtert in der Ecke steht.

Früher war halt alles früher, die Weisheit aus meinem Elternhaus. Hilft nichts, man will ja auch die Schattenseiten, damit man seinen Enkelkindern was zu erzählen hat.
Dass man Dinge möchte, die man sich bis dato nicht leisten kann, ist eine Sache. Dass man Dinge will, die verboten oder moralisch verwerflich sind, ist eine andere.

Wie weit geht man im Leben, um glücklich zu sein? Was darf man und was nicht und wo ist die Grenze, die man einhalten sollte? Wie viele machen genau das, was sie möchten, obwohl ihnen jeder davon abrät? Und wo bleibt es die eigene Entscheidung für das eigene Leben oder wird zur bockigen Trotzentscheidung gerade, weil jeder mit dem Kopf schüttelt?

So allgemein diese Fragen formuliert sind, so treffend findet sie doch jeder in seinem eigenen Leben. Es fängt bei Kleinigkeiten an und hört bei gesellschaftlich diskutierten Problemen auf, z.B.: darf ich ein mir anvertrautes Geheimnis ausplaudern, um einer anderen Person zu helfen? Kann ich einen Mann küssen, von dem ich sicher weiß, dass er verheiratet ist? Soll ich endlich den Pelz-Laden ums Eck nachts verschandeln und somit ein Denkmal setzen? Dürfen, können, sollen – wo hört die eigene Verantwortung auf und wo fängt die des anderen an?

Bei dir ist immer alles so spannend. Ja, schon klar, Spannung ist super, gut für die Nerven, atemberaubend für die Figur und am allerbesten fürs Schreiben. Trotzdem findet man sich im Laufe hunderter Gewissensbisse und Grübeleien oft an einem Punkt, wo man sich an Kindergartentage zurücksehnt. Wobei da bei mir leider immer nur drei Erinnerungen sich ins Gedächtnis schleichen:

  • Dass ich aus Versehen eine Heuschrecke zerquetschte, als ich eigentlich versuchte, sie einzufangen und zu beobachten.
  • Dass ich mit meiner Freundin über eine Stunde vor dem im Kindergarten selbstgemachten Pudding saß und keinen Bissen aß, weil wir beide die Puddinghaut verabscheuten (und heute übrigens immer noch meiden). Sitzen bleiben mussten wir trotzdem, denn „nicht essen“ ist gleichzusetzen mit „ungezogen“. Dafür grinsen wir uns heute noch an, wenn wir einen Pudding vor uns stehen haben.
  • Ich die Rutsche auf dem Bauch liegend und mit dem Kopf voraus runtergerutscht bin und mich somit im Sandkasten mit einem vollen Mund herrlich-dreckigen Sand wiederfand.
Ich stelle fest: auch das Leben früher war nicht einfach, es war Kindergarten-Krieg der feinsten Sorte und man wurde mindestens genauso oft geschimpft, wahrscheinlich sogar noch mehr, denn heute wird man eher mit Kopfschütteln und Ignoranz bestraft.
Trotzdem lernt man nie aus. Beispielsweise will ich immer noch das, was verboten ist. Und das will ich so lange, bis ich es kriege und es danach nicht mehr möchte.

So ist das eben mit dem Erwachsenen-Leben.
(c) 2011 Ani

Dienstag, 11. Oktober 2011

Deutsche Sprache, verlässliche Sprache.

Als ich im Duden das Verb „verlassen“ nachschlagen wollte, fiel mir schnell auf, was für gegensätzliche Bedeutungen es hat. Grundsätzlich wollte ich eine schöne Definition bzgl. Freundschaft finden. Sich auf Menschen verlassen können, in jeglicher Hinsicht.
Doch wenn man vom Akkusativ in den Dativ wechselt, dann kommt dieses Wort hinterhältig aus einer dunkeln Seitengasse gehüpft und erinnert einen daran, dass man auf genauso hinterhältige Weise verlassen werden kann. Jedenfalls schlägt der Duden diese Variante vor.
Wie kann es denn bitte sein, dass dieses Wort so unterschiedliche Bedeutungen haben kann? Ich finde das verwirrend. Oder, dachte ich mir, hat es damit zu tun, dass man sich öfter mal auf die Intuition verlassen sollte (aha?), dass man früher oder später sowieso von dem einen oder anderen verlassen wird?
Grübelnd saß ich da und versuchte mein Gespinst im Kopf zurecht zu spinnen, ohne mich weiter zu verzwicken.

Auf wen kann man sich also verlassen? Geistig zog ich meine Uroma zu Rate, die meiner Mama und somit auch mir immer geraten hatte, nicht mehr gute Freunde zu haben, wie man an einer Hand abzählen kann. Gut, damals im Krieg, da musste man schon aufpassen! Also darf man heutzutage so ein bis zwei  Menschen dazuzählen. Leise zähle ich ab und stimme schnell zu. Passt.

Auf was noch?
Mein persönlicher Guru sagt: sei dir selbst der beste Freund. Das finde ich auch unglaublich passend, schließlich trage ich selbst ja jeden Tag meine Probleme, meinen Speck, meinen Wirrwarr im Kopf und Herzen mit mir selbst herum – wow, jetzt merke ich erst, was ich mir da immer aufhalse. Ok, gebongt, ich habe gar keine andere Wahl, ich muss mir selbst die beste Freundin sein.

Und was ist mit dem anderen, mit diesem blöden verlassen werden? Statistisch gesehen trennt sich jedes zweite Pärchen innerhalb der darauffolgenden 18 Monaten. Schon seltsam und irgendwie auch passend, denn ich kann wirklich an einer Hand die Streitereien mit Freundinnen abzählen, während ich gedanklich zu der Göttin Kali mutiere, sobald ich versuche, die Auseinandersetzungen mit Männern erfassen zu können. Klar, macht Sinn,  da wir Frauen uns auf unser Recht verlassen können, gibt’s halt Streit mit den Männern.
 
Ich mag den Akkusativ lieber. Ich habe definitiv die 5+ Freunde, die ich nachts um 5 Uhr rausklingeln darf (ohne schlechtes Gewissen). Ich kann mich auch darauf verlassen, ab übermorgen bei Wein, Weib (Freundin) und Gesang in einem kroatischen Hafenrestaurant zu sitzen, eventuell darüber philosophierend, welche Freundin kürzlich mal wieder verlassen wurde. Oder sogar selbst verlassen hat? Dieses Wort hat es definitiv in sich.
Ein Beispiel zum Abschluss, welches Männer und das Verb vereint: wenn ein Mann krank wird, kann man sich immer darauf verlassen, dass er qualvoll stirbt, immer und immer wieder. Denn mein Vater liegt mit zwei gezogenen Weisheitszähnen zuhause und kann nicht sprechen. Meinen ersten Gedanken „wie angenehm“ schob ich schnell weg und schrieb ihm eine aufmunternte SMS: „Armer Papa. Kussi auf Zahni.“ Auf was ich mich verlassen konnte war, dass binnen Sekunden folgende Nachricht zurückkam: „Ich sterbe…“
© 2011 Ani

Montag, 3. Oktober 2011

better be vaunted, not haunted.

Wenn man von seinen Freunden gesagt bekommt:
„Tu es nicht. Aber wenn du es tun musst, dann komm ich mit.“
… dann weiß man zwei Dinge.

  1. Die Chance, dass man etwas dummes tut, ist sehr hoch.
  2. Man hat tolle Freunde.

Die meisten Menschen lernen aus ihren Fehlern, indem sie diese schätzungsweise zehn mal begehen. Daher kommt wohl auch die Annahme, dass man erst im Alter weise sein wird. Zehn Mal den gleichen Fehler zu begehen braucht halt auch seine Zeit.
Aus Fehlern zu lernen ist eine Erkenntnis, die jeder ganz unterschiedlich erlangt. Im Groben, finde ich, kann man da sogar zwischen Männern und Frauen (wie überraschend) unterscheiden. 

Während der Mann seine urmännlichen Fehler jahrelang sehr männlich verdrängen kann, indem er pro Bier und contra Tränen ist, und (nehmen wir mal an, es handelt sich um eine schwere Trennung) seine große Liebe durch darauffolgende, nichtssagende Beziehungen ersetzt, so findet Frau keine Ruhe. Sie beginnt nachzuforschen, zu grübeln, sie fängt an, Coelho-Romane zu lesen und wendet ihren Mund dem Rotwein zu, denn ohne Wein kann man nicht über das Leben und die Liebe reden.
Männer gestehen sich eigene Fehler oft sehr spät und manchmal sogar nie ein. Sie rennen weg, solange es möglich ist und verständlich ist das irgendwie auch noch. Aber die Frauen, die nie so wirklich aufgeben,  beschäftigen sich jahrelang mit ein und demselben Thema. Unweigerlich stellt sich jedesmal die Frage:

Warum?
Warum kehren wir immer wieder zu unseren Leichen im Keller zurück? Ist es ein Fehler, bei einer Person festzusitzen oder hat jeder Mensch diesen einen Menschen im Leben, zu dem er immer wieder zurückkehrt? Der persönliche Hausgeist, der einen heimsucht, auch wenn man schon zwei mal umgezogen ist?
Ich tue mir manchmal schwer, zu unterscheiden, ob ich einen Fehler mache oder, ob es ein Teil meiner Entwicklung ist, Schritte zu gehen, die unangenehm werden können.  Ist das eigene Verhalten ein Teil der Persönlichkeit oder ist diese Theorie einfach nur ein riesiger Bockmist?
Ich kenne Leute, die sich einreden, ihre alltäglichen Probleme nicht zu haben, wenn sie woanders leben würden. Und ich rede hier nicht vom aktuellen Steuerbetrüger, der still und leise seinen Flug nach Hawaii bucht.
Doch dann denke ich mir oft, dass das schon irgendwie witzig ist. So sehr mich mein Hausgeist auch nervt – egal, wo ich hingehe, um vor ihm zu fliehen, er kommt ja doch hinterher und bleibt solange, bis ich entscheide, angekommen zu sein.  Angekommen dort, wo es keine Geister gibt.  Jedenfalls keine, die mich heimsuchen.
© 2011 Ani

Dienstag, 27. September 2011

"Der Hacker-Schottenhamel-Komplex"

Wiesn or not Wiesn…. Eine der Fragen, die seit Tagen in meinem Kopf kreist.
Ich habe so viele unterschiedliche Meinungen über das Oktoberfest, pardon, die Wiesn, (das wäre schon mal die erste) gesammelt, dass ich mich erstmal selbst sammeln muss. Und dann hab mich gefragt:
Und was hältst eigentlich du davon?

Ich bin ja grundsätzlich gegen grundsätzliche Meinungen. Auch wenn sich das jetzt grundsätzlich widersprüchlich anhört, aber so ist es. Fast alles auf diesem kunterbunten Planeten hat Vor-und Nachteile.
Für mich ist die Wiesn einerseits ein Spielplatz, auf dem irgendwie zu viel erlaubt ist. Ein buntes Treiben, Lachen, Unbekümmertheit und auch die Falltür ins Bodenlose. Natürlich kann sie gewaltig nerven,  wenn man z. B. vorhat, von A nach B zu kommen und das innerhalb einer bestimmten Zeitspanne. Wenn man Slalom laufen muss, weil andere einem slalomartig entgegenwanken. Wenn man (so wie ich) jedes Jahr aufs neue eine Freundin anrufen muss, damit sie vorbeikommt und man zusammen unter einem tierischen Gewaltakt den Reißverschluss des Dirndls zubekommt. Eine größere Tracht  zu kaufen, wäre, als ob man eine weiße Flagge hisst. Dann lieber doch die Schnappatmung, Gott sei dank läuft das Bier ja auch in den Bauch und somit an der Lunge vorbei.

Ich kann mich jedenfalls an unglaublich viele, tolle Momente dort auf der Theresienwiese erinnern. Ich habe witzige Ausländer kennengelernt, bin jedes Jahr (bis auf dieses) die Achterbahn gefahren, obwohl ich unglaubliche Höhenangst habe, ich esse jedes Jahr einen Eismohr und bin glücklich, weil meine Freunde mir glücklich in den Armen liegen. Trotzdem bleiben wir – gesittetes  Münchner Völkchen - natürlich kultiviert und deshalb gibt es hier eine offizielle Liste der Dinge, die einfach inakzeptabel sind:
  •  Schulterfreie Dirndlblusen
  • Schwarze Blusen
  •  Landhausmode auf der Wiesn
  • Um 12 Uhr mittags das erste Mal auf oder unter der Bierbank liegen/sitzen.
  • Sich übergeben, danach knutschen und das Gegenüber in vorige Information nicht einbeziehen.
  • Mini-Dirndl (Dirndllänge, die über dem Knie Halt macht, meist vorgeführt von jungen, weiß-gelbblondierten Schulmädchen)
  • Pinke Hunter-Gummistiefel (!) zur Tracht   
  • Schnupftabak (…und auf einmal tun es alle, weil – auf einmal brauchen es alle! Jede der sechs Millionen Nasen bahnt sich binnen kürzester Zeit ihren Weg zum nächsten Schnupftabak) 
  • Die Wiesn hochoffiziell dissen und trotzdem mit der Clique hingehen. Dann aber nur im dezenten Look, bitteschön.
  • Weiße Netzstrümpfe in schwarzen Pumps zu bunter Tracht.
  • Lebkuchenherz (wenn es schon sein muss) mit der Aufschrift „Oktoberfest“ – ach was?
Ich war dieses Jahr (bis jetzt) nur einmal dort und es war so gut, dass ich am nächsten Morgen mit meiner Freundin an meinem Esstisch saß, wir uns über unsere Kaffeetassen hinweg anstarrten und kurze Zeit später weinend und lachend gleichzeitig mit den Köpfen auf dem Tisch lagen. Den Abend Revue passieren zu lassen und die fehlenden Puzzleteile dank aufmerksamer Begleiter zusammen zu basteln, ist fast so schön, wie der Abend selbst.

Ich  freue mich jedes Jahr auf den Beginn des Volksfestes und genauso jauchze ich, wenn es wieder vorbei ist. Jedes Jahr stehe ich mindestens ein Mal gegen 19:30h auf der Bierbank und singe, nein, schreie zu Robbie Williams „Angels“ und nichts wird mich je davon abhalten, nicht mal peinliche Fotos oder Kommentare.
Ach ja. Wenn die Münchner sich mal zwei Wochen im Jahr gehen lassen, dann kann man das doch gar nicht verurteilen. Das Festlein ist eine kleine, schillernde Momentaufnahme. Das schönste daran ist wohl, dass alles sehr schnell passiert und man daher mit dem Verstand nicht hinterherkommt. Das nennt man übrigens den Wiesn-Modus und Mann bzw. Frau befindet sich übrigens darin, wenn sie innerhalb kürzester Zeit vom Schunkeln zum Küssen übergehen. Herr-lich.
Wiesn – i mog di. Aber nach zwei Wochen bist „guad weida!“
© 2011 Ani

Donnerstag, 15. September 2011

Present = Gift

Nachts schließe ich die Tür auf, schlüpfe auf Zehenspitzen hinein und ermahne mich dabei, bloß leise zu sein, um meinen Hund nicht zu wecken, weil sie sonst schwanzwedelnd und vor Freude bellend über den glatten Holzboden fetzt, auf mich zu stürmt und damit das ganze Haus aufweckt. So, wie immer halt. Und dann merke ich, genau in dem Moment, in dem ich die Wohnung betrete, dass sie nie wieder auf mich zurasen wird, mit ihrer unglaublichen Fröhlichkeit.
So wie’s halt immer war.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Er leidet wie ein Hund – wie passend – , wenn sich Dinge verändern. Er klammert sich an alltägliche Abläufe, weil er Angst hat vor Veränderung, vor Verlust und vor allem vor dem Loslassen.
Loslassen – wie oft wird dieses Thema in meinem Freundeskreis debattiert. Wann ist es Zeit, Dinge oder Menschen zu verlassen? Oder, andersrum: wie lange kann man sich Zeit lassen, festzuhalten, obwohl schon längst alles der Vergangenheit angehört? In dieser zu leben ist das beste Beispiel für Kontraproduktivität, das wissen wir alle, aber wieviele leben wirklich in der Gegenwart?

In einer der besten Serien, die jemals über den Bildschirm stolziert ist, wird festgelegt, dass man genau die Hälfte der Zeit, in der man in einer Beziehung war, zur Trauer benötigen kann... darf... vielleicht sogar muss. Interessant, dachte ich mir, und fing unweigerlich an, an meinen Fingern die Monate meiner eigenen Trauer abzuzählen, bis ich beschloss, dass knapp drei Jahre Trauer dann doch mehr als verschwendete Zeit wären. Ein neuer Plan musste her.
„Ich plane nie, wozu auch?“, ein Satz, der mich schon seit langer Zeit beeindruckt und den ich versuche zu leben und zwar jeden Tag. Wir werden heutzutage von Weisheiten erschlagen und sollten anfangen, unsere eigenen zu kreieren, sind wir doch schon lange genug hier, um mal ein bisschen schlauer geworden zu sein.
Bist du schlauer geworden? Oder baust du immer noch den gleichen Mist?

Ich glaube, wenn man sich mit dem Lauf des Lebens beschäftigt, kommt man auch besser damit klar, dass es einfach so ist, wie es ist und man seine Zeit nicht dafür hernehmen sollte, die Vergangenheit ändern zu wollen. Vorwürfe zu machen für Entscheidungen, die längst gefallen sind. Und uns meist immer an einen Punkt gebracht haben, der letztendlich dann doch der richtige war. Aha-Effekt? Aber sowas von.

Loslassen – das Zauberwort des Glücklich-Seins. Wenn man sich mal anschaut, wieviele in alten Beziehungen stecken und keinem anderen eine neue Chance geben können. Wenn man sich mal überlegt, wo oft man nicht aus seiner eigenen Haut kann, obwohl man doch so sehr möchte. Ich habe einen Freund, der öffentlich für seine Meinung eintritt und alle anderen kritisiert, die genau das leben, was er eigentlich möchte. Tragisch, diese Maskerade, denn sie trägt ihn gerade nur in die Einsamkeit.

Ich weiß nicht, ob es etwas schwierigeres gibt, als das zu akzeptieren, was man nicht akzeptieren will. Wenn man sich mit allen Mitteln dagegen wehrt und lieber mit seiner Lieblingsdecke auf dem kalten Boden nächtigt, weil man nicht weiß, wie man jetzt auch noch aufstehen soll.

Seitdem ich angefangen habe, ganz genaue Vorstellungen in meinem Kopf zu haben, aber damit klarzukommen, dass ich auch über Umwege ans Ziel kommen kann, fliegen mir die Dinge zu und ich laufe dauergrinsend durch den Spätsommer.
Let go. – Das ist 'ne komplette Lebenseinstellung. Heißt ja nicht, dass man nicht ein bisschen weinerlich sein darf. Oder jammern darf. Aber es muss ja nicht jeder mitbekommen, mal abgesehen vom inner circle. Das Gute daran ist ja, dass nicht nur schöne Momente vorbeiziehen, sondern, dass jede Trauer auch ein Ende hat, bzw. sich verformt und man lernt, damit zu leben und trotzdem glücklich zu sein.
Eugène Ionesco hat mal gesagt: „Die Zukunft ist unser Hemd, aber die Gegenwart ist unsere Haut.“
Genialer Satz. Ich kann der Gegenwart nie entfliehen - besser ist es - aber ich kann entscheiden, wie die Zukunft aussehen soll. Und dann ziehe ich sie mir einfach an.
© 2011 Ani

Sonntag, 4. September 2011

Wie ich versuche, meine Luxusprobleme aufzuessen und daran nicht zu ersticken

In Zeiten wie diesen und in einem Land wie diesem, habe ich oft das Gefühl, dass wir uns selbst umso mehr einschränken, je mehr Möglichkeiten wir bekommen. Das ist wie im Drogerie-Markt. Gäbe es nur zehn verschiedene Deo-Düfte, anstatt gefühlte zehntausend, würden wir alle (statistisch gesehen) öfter mal gleich riechen, könnten aber die Zeit, in der wir ratlos vor dem Regal stehen, sinnvoller nutzen.

Aber die aktuelle Gesellschaft hat sich dagegen entschieden. Wir können alles tun, alles ausprobieren, wir dürfen sein, wer wir wollen. Heute Mann, morgen Frau und solange wir es nicht wissen, können wir auch was dazwischen sein. Der einzige, der uns dabei im Wege steht, sind wir selbst und nur wir, denn alles andere ist überwindbar, ersetzbar, unnötig, Luft, Luft, Luft!

Wir können aus der Tür gehen und brauchen vor nichts Angst zu haben. Wir können nachts in den Pommesbuden dieser Stadt und unseres Vertrauens einkehren, weil sie immer offen haben. Meistens jedenfalls. Wir dürfen uns im Sommerkleidchen auf den dreckigen Asphalt setzen und uns gut dabei fühlen.  Wir dürfen auf offener Straße ein Bier in der Hand halten, ohne es intelligenterweise in einer Papiertüte verschwinden lassen zu müssen.
Wir dürfen studieren, wissen aber nicht was und wenn wir fertig sind, fragen wir uns auch, ob es das richtige war. Wir zählen am Ende des Geldes die restlichen Tage des Monats, aber irgendwie schaffen wir es doch immer wieder, auch mit zwei Jobs glücklich zu sein. Jung zu sein und das Leben zu genießen, weil es einfach so unfassbar lebenswert ist.
Wir wollen spontan verreisen und finden nicht zufällig den mysteriösen, rettenden Geldkoffer im Kofferraum unseres nicht vorhandenen Autos? Schwupps, da gibt es Billigflieger, deren Angebote günstiger sind als die Anreise zum Flughafen.
Irgendwie haben wir es immer wieder geschafft. Und je länger ich darüber nachdenke, merke ich, dass das, was mich manchmal traurig und gar unzufrieden macht, nur die Ungeduld ist, dass das letzte Fünkchen halt doch noch nicht passt. I.C.H. bin mein einziges Hindernis.

Können wir uns komplett so annehmen,wie wir sind oder schämen wir uns vor Niederlagen, Schwächen, Macken? Verheimlichen wir bewusst Fakten über uns? Werden wir von heute auf morgen Sushi-Liebhaber, weil es halt so unausweglich hip und modern ist? 

Ich habe ja eine Schwäche für 80er Jahre Musik, was manchmal anerkennend gewürdigt, aber meist peinlich berührt abgewiesen wird. Ich schaffe die große Schokokränze-Packung made by Netto und mir wird dabei leider einfach nicht schlecht, jedenfalls nicht so richtig. Meine High-Heels stehen neben meinen Chucks, in meinem Schrank hängen teure Fummel neben ausgeleierten Leggins und ich frage mich so oft, wer davon ich bin, anstatt zuzulassen, dass ich halt beides bin.
Ich habe eine Tätowierung, gar nicht mal so klein, neige aber trotzdem dazu, sie zu vergessen und überlege ständig, mich mal tätowieren zu lassen. Ich rede zu schnell und denke in lebensbedrohlichen Situationen zu langsam - das nehme ich zumindest an. Ich kritisiere, obwohl ich während meiner Argumentation merke, dass ich eigentlich zustimme. Und natürlich würde ich es nie zugeben. Ich besitze sowohl Kassetten von Benjamin Blümchen, als auch von Bibi Blocksberg und diskutiere immer noch gerne mit anderen Fans beider Parteien, weil ich mich einfach nicht für eine Seite entscheiden will.

Hui, krasse Sache, so ein tolles Leben und trotzdem ist ja nach zwei Gläsern Wein alles blöd, man redet über die Liebe und wie sie nicht funktioniert, selbst wenn sie funktioniert.
Oder man hat Angst vor der Zukunft, wobei ich mich ja immer frage, wovor man da immer Angst hat, schließlich ist die Zukunft ein Zeitpunkt, der niemals eintritt. Kannste noch so sehr versuchen, die klopft nicht nachts an deiner Tür, also mal was riskieren, man wird sich ja doch nicht begegnen.

Als ich mal vor knapp zwei Jahren eine schier unbeschreiblich tolle Nachricht bekam, bin ich wie eine Verrückte durch die halbe Stadt gelaufen, ich hab jeden angestrahlt und als ich auf dem Marienplatz ankam, stand da ein Mädchen. Sie hatte ein „Free Hug“ Schild um den Hals, also ging ich auf sie zu und wir haben uns umarmt. Sowas. Das ist es einfach. Davon will ich mehr und ich nehme mir es auch. Ich werde weiterhin nachts barfuß nach Hause laufen, weil ich es überleben werde, wenn ich in eine Scherbe trete. Ich werde weiterhin auf dem kalten Boden sitzen und Eis essen, weil ich in meinem ganzen Leben noch keine Blasenentzündung hatte und die doofe Oma endlich mal klar kommen soll. Und jetzt alle im Chor: I am a king of my own! Har Har Har!
(c) 2011 Ani

Donnerstag, 25. August 2011

Von Trennungen, Briefen und der Queen.

But I gave you all

And you rip it from my hands
And you swear it's all gone
And you rip out all I have
Just to say that you've won

Well now you've won
(Mumford and Sons)

Es gibt unglaublich viele, zwischenmenschliche Beziehungen, in denen einer mehr gibt, als der andere. Das ist meistens der Grund, warum sich Freundschaften verlaufen oder zum Smalltalk-Gequatsche mutieren. In Beziehungen entsteht dadurch Eifersucht und oft eine lange, schmerzvolle Trennung.
Das Gute daran ist, dass in solchen Situationen die besten Lieder entstehen. Die herzzereißendsten Drehbücher werden geschrieben und die schönste Lyrik wird ein paar Jahrzehnte später in Klassenzimmern mehr schlecht als recht interpretiert.

Frauen neigen ja grundsätzlich in solchen Situationen dazu, Briefe zu schreiben. Es sind entweder Schmachtfetzen an den Verflossenen. Oder Erinnerungsversuche a la „weißt du noch….?“ und „eigentlich war doch alles gut, bis….“. Auch ein Klassiker, häufiger verwendet, als gemutmaßt: der Brief an sich selbst. Eine Hommage an die tolle, starke Frau, die man doch eigentlich ist. Die traurige Statistik, die ich hiermit nun selbst stelle ist die, dass ca. 0 Prozent aus der Reihe „männliches Geschlecht“  ähnliches tun.
„Du hast ihm einen Liebesbrief geschrieben? Hast den aber schon getippt, oder?“ So oder so ähnlich musste sich das eine Freundin kürzlich anhören, nachdem sie beschlossen hatte, alles, was sie beschäftigte, niederzuschreiben. 

Mir fällt kaum eine Freundin ein, die noch keinen solchen oder ähnlichen  Brief verfasst und voller Mut in den nächsten Briefkasten geschmissen hat. Mit ihm auch ihre Hoffnung - bis auf den letzten, kleinen Strang, der doch irgendwie immer bleibt. Danach gehen dann trotzdem die meisten zu den zeitgenössischen Methoden über: bei Facebook den Beziehungssatus herausnehmen, publizieren und sich im Bad des geheuchelten Mitgefühls suhlen. Oder die Freundschaft löschen.  Ich finde ja, Freunde aus Facebook zu löschen, ist meistens mehr Kompliment oder Liebeserklärung, als ein Abschließen der Situation. Denn wäre man drüber hinweg, wäre man auch über die Statusmeldung hinweg.

Aber mir fällt kein Mann ein, von dem ich behaupten könnte, er wäre mal auf die Idee gekommen, mit einem selbstgeschriebenen Brief zu punkten. Doch. Einer. Aber der zählt nicht. Denn, so mal by the way und sowas von durch die Blume: das würde ziehen und zwar viel mehr und schneller, als ihr euch vorstellen könnt. Stattdessen hört man immer aus euren Reihen: aber ich hab doch um sie gekämpft! Sie hat aber nicht auf meine aus 27 Zeichen bestehende SMS geantwortet.

Dass man hier aber nicht falsch verstanden wird und es wieder heißt, wir Frauen erwarten halt zu viel: wir wollen keine lyrischen Ergüsse a la Rilkes „…wie soll ich meine Seele halten, dass sie nicht an deine rührt […]“. Nein, nein, nein, ein simple, besitzergreifendes und reviermarkierendes „ich will dich“, reicht vollkommen aus. Wahlweise auch getippt. Oder über fb-Nachricht geschickt. Hmpf.
Was ich damit sagen möchte ist, dass sogar bei oder nach Trennungen immernoch einer mehr gibt, als der andere. Ob es überhaupt möglich ist, mal auf ein gleiches Level zu kommen?

Es ist traurig zu sehen, wie meistens einer zugrunde geht, weil er so viel kämpft und es selbst überhaupt nicht wahrnimmt, bis ihm die Freunde den obligatorischen Spiegel vorhalten. Währenddessen zieht sich der andere nur leicht verletzt aus dem zusammenkrachenden Beziehungsmodell und überschüttet sein schwer verletztes Gegenüber mit der unsagbaren Weisheit, dass man sich ja auch hätte schützen können. Schließlich muss man ja in der heutigen Zeit immer damit rechnen, dass es nicht funktionieren könnte.
Stimmt, wie kann man das auch manchmal vergessen? Dass mal etwas nicht funktionieren könnte. Gut, dass man dann Bescheid weiß und beim Nächsten lieber mal nicht über Nacht bleibt, es könnte ja ein bisschen intim werden und dann ist man gleich wieder so…. naja, äh, nackt. Und bleibt es auch mal für eine Zeit lang, selbst wenn man wieder angezogen ist.

Ihr Lieben, die ihr euch immer schützt und denkt, dass man so durch die Welt laufen kann und trotzdem alles mitnehmen, was es so an Spaß zu entdecken gibt. Die immer gleich einen Schritt zurückgehen, weil man etwas gesagt bekommen könnte, was man nicht hören mag oder sich selbst mal eingestehen müsste, dass es Glücksgefühle auslöst, wenn das Handy klingelt: ihr fallt auch wieder auf die Schnauze, weil jeder irgendwann fällt und das ist so sicher, dass ihr dabei mal zur Abwechslung so gar keine Angst haben braucht.
Ihr lauft am größten Abenteuer vorbei. Mit obligatorischem, queen’schem Winkerer. Danke, nein, hatte ich schon.
© 2011 Ani