Sonntag, 23. Oktober 2011

Der Nachthimmel hängt voller Breakbeats.

Wie oft geht es dem Durchschnittsdeutschen auch so, dass er am Wochenende, das heißt wahlweise Samstag oder Sonntag aufwacht, und sich einfach nur denkt:
Uh.
Oder: huch.
Also ich kenne das ja schon ab und an. Nach dem Aufwachen meiner letzten Partynacht dachte ich mir jedoch eher so: eh?

Denn was ich in meiner Handtasche fand, war ein Zettel mit komponierter Musik und ich erinnerte mich sofort an den Typen, der mir das mit den Worten „kannste behalten“ in die Hand gedrückt hat. Wir haben vorher kein Wort ausgetauscht, nein, eher hatte ich ihn unbeholfen angegrinst, da er seinen großen, massigen Körper kaum noch balancieren konnte.
Nachdem ich den Zettel studierte und das ganze schon triumphierend und leicht romantisch auf meiner „To-do Liste in Life“ unter „einen Song für sich schreiben lassen“ abgehakt hatte, beschlich mich die Angst, er wäre ein großes Talent und bräuchte genau den Teil für seinen Durchbruch. Meine Freunde bestätigten das natürlich sofort. Also lief ich durch die Bar und suchte – und fand ihn – am DJ-Pult, wo er die Noten doch tatsächlich dem DJ verticken wollte. Hauchte er ihm wohl dabei auch ein „kannste behalten“ ins Ohr? 
Als er mich angrinste und sagte „sind Sommerferien, schreib danach was neues“ nahm die Ernüchterung seinen Lauf und fand ihren Höhepunkt darin, dass meine Freundin mich auf die Überschrift der Noten aufmerksam machte:
Breakbeats (shuffle).

Na da. Bin stolze Besitzerin von Breakbeats. Bin darüber weder shuffled, noch amused. Obwohl… witzig ist es ja schon. Hake ich es halt auf meiner anderen Liste ab. Die Liste heißt übrigens: „muss nicht sein, bereichert aber immens.“ Komischerweise ist sie länger, als die andere.

Der deutsche Künstler-Mann ist ein absolutes Phänomen. Verschenkt Kunst statt Herz und hat auch sonst nicht viel zu geben, weil er es lieber für sich behält.
Und im Radio läuft auch noch Duran Duran. An solchen Stellen sagt meine gute Freundin ja immer, dass man statistisch gesehen

1. Im Nachtleben niemanden kennenlernt, den man danach wirklich auch kennenlernen kann und, dass (und das kostet mich wirklich Überwindung, hier niederzuschreiben)

2. Der zu kennenlernde Typus doch eher Typ-BWL statt Typ-Nerdbrille mit Wuschelhaaren sein sollte. Auf letztere sei nämlich einfach kein Verlass. Außer vielleicht auf ihre Breakbeats.

Aber das ist wieder ein ganzes anderes Thema.
© 2011 Ani

Ein kalter Kindergarten-Krieg.

Was mich beschäftigt ist so hochexplosiv, dass ich es kaum wage, in die Tasten zu hauen.

Was verboten ist, das will man. Und was man kriegt, das will man nicht. 

Eine so alte Aussage, die mich nie wirklich beschäftigt hat, habe ich doch als liebenswertes Einzelkind immer alles bekommen, was ich wollte. Manchmal bevor ich wusste, dass ich es wollte.

Doch neuerdings ist das anders. Man wird mehr als spontan und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ins Erwachsenen-Sein geschmissen, man findet sich in seinem ersten, eigenen Apartment wieder und sobald die Anfangseuphorie vorbei ist, klingelt leider nicht der Milchmann, sondern der GEZ-Mann.

Man sieht den Tatsachen ins Auge, bald seine erste Steuererklärung machen zu müssen und man findet sich alleine in Yoga-Kursen wieder, weil man gesund und städtisch sein will, aber gleichzeitig ist man doch immer noch das kleine Mädchen, das verschüchtert in der Ecke steht.

Früher war halt alles früher, die Weisheit aus meinem Elternhaus. Hilft nichts, man will ja auch die Schattenseiten, damit man seinen Enkelkindern was zu erzählen hat.
Dass man Dinge möchte, die man sich bis dato nicht leisten kann, ist eine Sache. Dass man Dinge will, die verboten oder moralisch verwerflich sind, ist eine andere.

Wie weit geht man im Leben, um glücklich zu sein? Was darf man und was nicht und wo ist die Grenze, die man einhalten sollte? Wie viele machen genau das, was sie möchten, obwohl ihnen jeder davon abrät? Und wo bleibt es die eigene Entscheidung für das eigene Leben oder wird zur bockigen Trotzentscheidung gerade, weil jeder mit dem Kopf schüttelt?

So allgemein diese Fragen formuliert sind, so treffend findet sie doch jeder in seinem eigenen Leben. Es fängt bei Kleinigkeiten an und hört bei gesellschaftlich diskutierten Problemen auf, z.B.: darf ich ein mir anvertrautes Geheimnis ausplaudern, um einer anderen Person zu helfen? Kann ich einen Mann küssen, von dem ich sicher weiß, dass er verheiratet ist? Soll ich endlich den Pelz-Laden ums Eck nachts verschandeln und somit ein Denkmal setzen? Dürfen, können, sollen – wo hört die eigene Verantwortung auf und wo fängt die des anderen an?

Bei dir ist immer alles so spannend. Ja, schon klar, Spannung ist super, gut für die Nerven, atemberaubend für die Figur und am allerbesten fürs Schreiben. Trotzdem findet man sich im Laufe hunderter Gewissensbisse und Grübeleien oft an einem Punkt, wo man sich an Kindergartentage zurücksehnt. Wobei da bei mir leider immer nur drei Erinnerungen sich ins Gedächtnis schleichen:

  • Dass ich aus Versehen eine Heuschrecke zerquetschte, als ich eigentlich versuchte, sie einzufangen und zu beobachten.
  • Dass ich mit meiner Freundin über eine Stunde vor dem im Kindergarten selbstgemachten Pudding saß und keinen Bissen aß, weil wir beide die Puddinghaut verabscheuten (und heute übrigens immer noch meiden). Sitzen bleiben mussten wir trotzdem, denn „nicht essen“ ist gleichzusetzen mit „ungezogen“. Dafür grinsen wir uns heute noch an, wenn wir einen Pudding vor uns stehen haben.
  • Ich die Rutsche auf dem Bauch liegend und mit dem Kopf voraus runtergerutscht bin und mich somit im Sandkasten mit einem vollen Mund herrlich-dreckigen Sand wiederfand.
Ich stelle fest: auch das Leben früher war nicht einfach, es war Kindergarten-Krieg der feinsten Sorte und man wurde mindestens genauso oft geschimpft, wahrscheinlich sogar noch mehr, denn heute wird man eher mit Kopfschütteln und Ignoranz bestraft.
Trotzdem lernt man nie aus. Beispielsweise will ich immer noch das, was verboten ist. Und das will ich so lange, bis ich es kriege und es danach nicht mehr möchte.

So ist das eben mit dem Erwachsenen-Leben.
(c) 2011 Ani

Dienstag, 11. Oktober 2011

Deutsche Sprache, verlässliche Sprache.

Als ich im Duden das Verb „verlassen“ nachschlagen wollte, fiel mir schnell auf, was für gegensätzliche Bedeutungen es hat. Grundsätzlich wollte ich eine schöne Definition bzgl. Freundschaft finden. Sich auf Menschen verlassen können, in jeglicher Hinsicht.
Doch wenn man vom Akkusativ in den Dativ wechselt, dann kommt dieses Wort hinterhältig aus einer dunkeln Seitengasse gehüpft und erinnert einen daran, dass man auf genauso hinterhältige Weise verlassen werden kann. Jedenfalls schlägt der Duden diese Variante vor.
Wie kann es denn bitte sein, dass dieses Wort so unterschiedliche Bedeutungen haben kann? Ich finde das verwirrend. Oder, dachte ich mir, hat es damit zu tun, dass man sich öfter mal auf die Intuition verlassen sollte (aha?), dass man früher oder später sowieso von dem einen oder anderen verlassen wird?
Grübelnd saß ich da und versuchte mein Gespinst im Kopf zurecht zu spinnen, ohne mich weiter zu verzwicken.

Auf wen kann man sich also verlassen? Geistig zog ich meine Uroma zu Rate, die meiner Mama und somit auch mir immer geraten hatte, nicht mehr gute Freunde zu haben, wie man an einer Hand abzählen kann. Gut, damals im Krieg, da musste man schon aufpassen! Also darf man heutzutage so ein bis zwei  Menschen dazuzählen. Leise zähle ich ab und stimme schnell zu. Passt.

Auf was noch?
Mein persönlicher Guru sagt: sei dir selbst der beste Freund. Das finde ich auch unglaublich passend, schließlich trage ich selbst ja jeden Tag meine Probleme, meinen Speck, meinen Wirrwarr im Kopf und Herzen mit mir selbst herum – wow, jetzt merke ich erst, was ich mir da immer aufhalse. Ok, gebongt, ich habe gar keine andere Wahl, ich muss mir selbst die beste Freundin sein.

Und was ist mit dem anderen, mit diesem blöden verlassen werden? Statistisch gesehen trennt sich jedes zweite Pärchen innerhalb der darauffolgenden 18 Monaten. Schon seltsam und irgendwie auch passend, denn ich kann wirklich an einer Hand die Streitereien mit Freundinnen abzählen, während ich gedanklich zu der Göttin Kali mutiere, sobald ich versuche, die Auseinandersetzungen mit Männern erfassen zu können. Klar, macht Sinn,  da wir Frauen uns auf unser Recht verlassen können, gibt’s halt Streit mit den Männern.
 
Ich mag den Akkusativ lieber. Ich habe definitiv die 5+ Freunde, die ich nachts um 5 Uhr rausklingeln darf (ohne schlechtes Gewissen). Ich kann mich auch darauf verlassen, ab übermorgen bei Wein, Weib (Freundin) und Gesang in einem kroatischen Hafenrestaurant zu sitzen, eventuell darüber philosophierend, welche Freundin kürzlich mal wieder verlassen wurde. Oder sogar selbst verlassen hat? Dieses Wort hat es definitiv in sich.
Ein Beispiel zum Abschluss, welches Männer und das Verb vereint: wenn ein Mann krank wird, kann man sich immer darauf verlassen, dass er qualvoll stirbt, immer und immer wieder. Denn mein Vater liegt mit zwei gezogenen Weisheitszähnen zuhause und kann nicht sprechen. Meinen ersten Gedanken „wie angenehm“ schob ich schnell weg und schrieb ihm eine aufmunternte SMS: „Armer Papa. Kussi auf Zahni.“ Auf was ich mich verlassen konnte war, dass binnen Sekunden folgende Nachricht zurückkam: „Ich sterbe…“
© 2011 Ani

Montag, 3. Oktober 2011

better be vaunted, not haunted.

Wenn man von seinen Freunden gesagt bekommt:
„Tu es nicht. Aber wenn du es tun musst, dann komm ich mit.“
… dann weiß man zwei Dinge.

  1. Die Chance, dass man etwas dummes tut, ist sehr hoch.
  2. Man hat tolle Freunde.

Die meisten Menschen lernen aus ihren Fehlern, indem sie diese schätzungsweise zehn mal begehen. Daher kommt wohl auch die Annahme, dass man erst im Alter weise sein wird. Zehn Mal den gleichen Fehler zu begehen braucht halt auch seine Zeit.
Aus Fehlern zu lernen ist eine Erkenntnis, die jeder ganz unterschiedlich erlangt. Im Groben, finde ich, kann man da sogar zwischen Männern und Frauen (wie überraschend) unterscheiden. 

Während der Mann seine urmännlichen Fehler jahrelang sehr männlich verdrängen kann, indem er pro Bier und contra Tränen ist, und (nehmen wir mal an, es handelt sich um eine schwere Trennung) seine große Liebe durch darauffolgende, nichtssagende Beziehungen ersetzt, so findet Frau keine Ruhe. Sie beginnt nachzuforschen, zu grübeln, sie fängt an, Coelho-Romane zu lesen und wendet ihren Mund dem Rotwein zu, denn ohne Wein kann man nicht über das Leben und die Liebe reden.
Männer gestehen sich eigene Fehler oft sehr spät und manchmal sogar nie ein. Sie rennen weg, solange es möglich ist und verständlich ist das irgendwie auch noch. Aber die Frauen, die nie so wirklich aufgeben,  beschäftigen sich jahrelang mit ein und demselben Thema. Unweigerlich stellt sich jedesmal die Frage:

Warum?
Warum kehren wir immer wieder zu unseren Leichen im Keller zurück? Ist es ein Fehler, bei einer Person festzusitzen oder hat jeder Mensch diesen einen Menschen im Leben, zu dem er immer wieder zurückkehrt? Der persönliche Hausgeist, der einen heimsucht, auch wenn man schon zwei mal umgezogen ist?
Ich tue mir manchmal schwer, zu unterscheiden, ob ich einen Fehler mache oder, ob es ein Teil meiner Entwicklung ist, Schritte zu gehen, die unangenehm werden können.  Ist das eigene Verhalten ein Teil der Persönlichkeit oder ist diese Theorie einfach nur ein riesiger Bockmist?
Ich kenne Leute, die sich einreden, ihre alltäglichen Probleme nicht zu haben, wenn sie woanders leben würden. Und ich rede hier nicht vom aktuellen Steuerbetrüger, der still und leise seinen Flug nach Hawaii bucht.
Doch dann denke ich mir oft, dass das schon irgendwie witzig ist. So sehr mich mein Hausgeist auch nervt – egal, wo ich hingehe, um vor ihm zu fliehen, er kommt ja doch hinterher und bleibt solange, bis ich entscheide, angekommen zu sein.  Angekommen dort, wo es keine Geister gibt.  Jedenfalls keine, die mich heimsuchen.
© 2011 Ani