Dienstag, 29. November 2011

Ich springe. Und freue mich, wenn jemand mitspringt.


Wenn ich in den Himmel schaue und ein Flugzeug sehe, frage ich mich immer, wohin es fliegen wird. Immer. Und jedes Mal merke ich, dass ich drin sitzen möchte, egal, wohin es fliegt.
An einen Ort zu fliegen, wo man einfach nur sein kann – 



Jetzt, wo die Weihnachtszeit beginnt, fange ich an darüber nachzudenken. Dieses vergangene Jahr war für mich (und für viele andere auch) das turbulenteste Jahr in meinem ganzen Leben und ich kann nicht mal sagen, ob ich es schlimm fand. Es gab so unendlich viele Entscheidungen zu treffen, dass ich an einen Punkt kam, an dem mir die Letzte behutsam aus den Händen genommen wurde.

Ich habe meinen Abschluss Ende letzten Jahres gemacht und stelle mich seitdem jeden Morgen einem freiberuflichen Dasein. Es war mein größter Traum und ich bereue nichts, keine Entscheidungen, die ich getroffen habe oder sinnlose Montage, die ich im Bett verbrachte, weil es nichts zu tun gab. All das macht doch nur reifer und wenn man mal weiß, was man nicht will, dann kommt man irgendwann auch da an, wo man tief durchatmet, weil man weiß, was man will.

Mir wurde dieses Jahr das Herz gebrochen und trotzdem ist es immer wieder ein kleines Wunder, wie es sich selbst zusammenflickt. Im März habe ich mich gezwungen gefühlt zu entscheiden, dass ich der partnerschaftlichen Liebe erst einmal den Rücken kehren muss. Was sich dermaßen beschissen anfühlt, um es mal ganz unpassend auszudrücken. Daraufhin bin ich drei Wochen nur gelaufen, dem Meer und der Sonne entgegen und hab trotz aller Tränen zurück zur Liebe gefunden – sie war überall: im Sonnenaufgang über galizischen Bergen, in Gesprächen, im Wein und in länderübergreifenden Freundschaften, von denen ich weiß, dass sie noch lange halten werden. Ich habe sogar gelernt, mit meinen Blasen an den Füßen zu reden und zumindest Freundschaft  mit ihnen zu schließen – bringt ja nichts und außerdem soll man sich doch sowieso immer mit seinen Feinen verbinden. Die sind wenigstens ehrlich.

Im Sommer musste ich dann wiedermal entscheiden, eine Entscheidung, die man niemandem wünscht. Doch man muss und man trifft sie auch und letzten Endes hat man doch das Gefühl, dass sie jemand anders für einen gefällt hat – und alles schaut wieder ganz anders aus.

Nun neigt sich das Jahr mit einer Explosion dem Ende zu, ich habe gegen erneute Entscheidungen wie blöde angestrampelt und mich gewehrt, bis ich zum ersten Mal erleichtert war, dass da wirklich jemand ist, der einem die Tragik aus den Händen nimmt und einen selbst in den Arm.

Alles in allem habe ich dieses Jahr jedoch auch die erstaunlichsten Menschen überhaupt kennengelernt. Menschen, mit denen du  die allseits bekannten Pferde stehlen kannst, mit denen du nächtelang einfach durchlachen kannst, mit denen du Gloria Gaynor-Songs beim Karaoke grölst. Menschen, die dir genau das sagen, was du hören musst. Menschen, die dich auf der Straße erst anlächeln, dann ansprechen.  Die herzlicher zu dir sind, als Teile deiner eigenen Familie. Die sich ins Flugzeug setzen, nur um dich zu sehen. Und zu guter Letzt Menschen, die mehr in dir sehen, als du selbst und sie dir deswegen die Chance geben, von der du so lange geträumt hast.
Wegen all dieser tollen Leute stehe ich nun Ende des Jahres zwar ziemlich geschafft, aber glücklich da und ich bin bereit  zu springen. Ins neue Jahr. Ins Risiko. Ins Flugzeug. 

- Für Mama und Papa -
© Ani 2011

Sonntag, 20. November 2011

Omi, erzähl doch mal!

Heimaturlaub bei den Eltern auf dem Land bedeutet für mich, dass ich so gut wie nie meine Schlafanzughose ausziehe – auch nicht zum Auto fahren – , dass ich mich tagelang nicht schminke, dass ich statt zu duschen, mich in die Badewanne lege (auch im Sommer), dass ich nonstop esse und es genieße, durch das sehr zu wünschen übrig lassende TV-Programm zu zappen – ich selbst besitze nämlich keinen.

So schön es auch ist, seine Familie um sich zu haben, so oft finde ich mich nach ein paar Tagen aber unruhig durch die Wohnung laufend wieder, werfe mich von einem Sofaende zum Anderen und telefoniere stundenlang – mit meinen Freundinnen in München.
Da meine Mutter kürzlich Geburtstag hatte, gab es am folgenden Sonntag Kaffeekränzchen mit Oma und Opa, was eine so wichtige Institution in meinem Leben ist, wie das Amen in der Kirche. Bester Bio-Aldi-Kaffee in Kombination mit Pralinen und Kuchen aus der feinsten Kleinstadt-Patisserie, selbst da schlägt dann doch mein Herzilein pro Heimat!

Meine Oma, welche ich sehr für ihren Humor, weniger für ihre Erzählungen der Wir-hatten-damals-gar-nichts-Geschichten schätze, krönte das Ganze dann in folgender Konversation:

„Bist du gut beschäftigt, wenn du zu Hause bist?
„Ach, naja, geht so.“
„Na, wenn du mal den Richtigen hast, wirst du beschäftigt sein.“
„Den richtigen was? Mann!?“
„Freilich! Für dich gibt’s auch jemanden!“

Schluck. Ich beschloss nicht auszuholen und von meinen nennenswerten, sowie nicht nennenswerten Eroberungen zu erzählen. Sicherlich unglaublich süß gemeint, brachte es mich doch wiedermal zum Nachdenken, bin ich doch schließlich der Meinung, dass bei sieben Milliarden Menschen auf diesem Planeten (umliegende Exemplare ausgeschlossen, sollten aber vielleicht nach eher interessanten Single-Jahren demnächst mit einbezogen werden) es mehr als einen Richtigen gibt. Und wenn man schon mal dabei ist: was oder wer ist denn schon richtig für einen?

Weiter ging es in der gemütlichen Dialekt-Runde mit himmlischen Anekdoten aus Kindheitstagen meiner Mutter und dem dazugehörigen, fabelhaftem Wortspiel, dass die betreuende Internatsschwester meiner Mama Schwester Devota hieß – Gott habe sie selig . Denn während sie eher der herrschsüchtigen Gattung entsprang und ihr meine kleine Mama daher zu rebellisch war, sorgte sie wohl eher kaum mal dafür, ihrem Namen alle Ehre zu machen. Ob man da im Vorfeld durch kontrollierende Namensgebung schon mal dem Temperament entgegen wirken wollte? Man weiß es nicht und wenn Schwester Devota sich so wenig mit Latein beschäftigte, wie ich mit fettarmem Käse, dann weiß sie es leider auch nicht.

So neigt sich auch dieser Ausflug ins Grüne dem Ende zu und ich kann es kaum erwarten, dreckige Großstadtluft zu schnuppern.  Bis dahin rege ich mich ein bisschen darüber auf, dass die Geschäfte um 18Uhr schließen, dass meine geliebte Oma behauptet, ich würde nie etwas zu essen bekommen und dass diverse andere Familienangehörige selig bei Rosamunde Pilcher in Traumwelten hinabtauchen. Da gibt es übrigens immer eine Hauptdarstellerin, die so aufgesetzt nicht devot sein möchte, dass es weh tut und doch immer wieder den richtigen Mann für’s Leben findet. Seufz.
© Ani 2011

Dienstag, 15. November 2011

Anleitung zum Umgehen von Wänden

 Niels Frevert – Ich würd dir helfen, eine Leiche zu verscharren, wenn’s nicht meine ist

„Es schlägt Mitternacht über den Sümpfen
 Du gehst mit einem Spaten voran
Und ich in nassen Strümpfen“

Wer trocknet dann meine Socken zuhause? Kommt überhaupt jemand mit nach Hause?
Ich bin verwirrt, verzweifelt, von Lethargie übermannt und dann doch wieder gebeutelt von Lachanfällen.
Wer ist da, in all diesen Situationen?
Es gibt Tage, an denen tun sich Abgründe auf und während diese sich auftun, scheint die eigene Welt unterzugehen.

Ich selbst war erst in so einer Situation. Ich habe mein Handy auf lautlos gestellt, ich habe die Decke bis ans Kinn gezogen und an die Wand geschaut. Wohl stundenlang, weil es Momente gibt, in denen kein Anruf etwas bringt. Keine besänftigenden Worte, keine Umarmung - nichts hilft und schon gar nicht die Frage nach einem Kaffee. Tja, manchmal fordert man wohl die ganz harte Tour.

Trotzdem macht man meist alles falsch, findet man sich in solchen Momenten wieder. Hat man ein Problem, fängt man an zu googeln und hat danach noch hundert Probleme mehr. Keine gute Idee und trotzdem lässt man die plagenden Gedanken einen von innen durchdringen.

Erst im Nachhinein laufen einem oft Tränen der Erleichterung über das Gesicht, man erzählt seinen besten Freunden davon und gesteht sich ein, dass man halt irgendwie doch hätte anders handeln können.
Ich weiß nicht, wie du so tickst, lieber Leser, aber ich bin ein Mensch, der Extreme anzieht oder von Extremen angezogen wird – zweites ist passiv und somit kann ich ein bisschen Verantwortung von mir schieben.  Jedenfalls, um mal auf den Punkt zu kommen:  wird es lahm, dann tue ich irgendetwas –  nein,  ich lasse etwas zu - , was  die ganze Langeweile aus meinem Leben katapultiert und mich hineinwirft… in andere Zeitzonen, in fremde Arme, in neue Umlaufbahnen oder doch nur nächtelanges Warten auf Perfektion.

Doch wenn dann Momente kommen, die einen ausbremsen, dann sollte man vielleicht wirklich still stehen. So für ne  Zeit lang, bis alles wieder gut ist, sich nicht mehr das Gedankenkarussel dreht, sondern einfach wieder die Lust am Erleben. Doch solange eben nicht alles gut ist, sollte man wirklich jemanden haben, der die Leiche mit einem zusammen verschafft. Nachtaktionen sind die Impulsivsten, meist auch die Dümmsten, oft aber die Hilfreichsten.
Ich behaupte, dass die Menschen, die am wenigsten reden und zugeben, was wirklich nicht passt, schwächer sind als die, die mal zum Telefon greifen und sich einen Hilferuf gestatten. Zur Unsicherheit zu stehen ist definitiv schwieriger, als an Wände zu starren, denn reden schafft Realität. Und andere Meinungen zu sammeln schärft den Weitblick und zwingt zum Nachdenken. 

Doch was tun, solange man das stille Dasein bevorzugt, was hilft, wird man sich da einig? Wie wäre es mit: dem Internet und überflüssigen Blogs den Rücken zuwenden und anstelle dessen alles tun, was einem zur wichtigsten Emotion im Leben zurückbringt: zum Lachen.
© 2011 Ani

Sonntag, 6. November 2011

Pour toujours... Paris.

Dass Paris eine umwerfende Stadt ist und allen voran die Stadt der Liebe… tja, dafür braucht man kein Franzose zu sein, um das zu wissen. Dass aber immer im gleichen Atemzug gesagt wird, dass einfach die vielen Franzosen in dieser Stadt nerven, ist eine augenzwinkernde Tatsache, für die man nicht wirklich Deutscher sein muss, um das zu wissen.

Dass mein Urlaub sich zu etwas gewandelt hat, was ich gar nicht greifen kann und es trotzdem keine Angst macht, hätte ich niemals gedacht. Man kann ja schließlich auch mal an einer Ampel an der Bastille angesprochen werden und dann macht es halt klick.

Diese Franzosen sind schon ein Völkchen für sich. Sie sind von sich selbst überzeugt, sie sind egozentrisch, sie haben meist einen fiesen Akzent, der es unmöglich macht, ihr Englisch zu verstehen – sollte man überhaupt das Glück haben, dass sie mit einem in einer anderen Sprache als Französisch kommunizieren.
Das alles kann ich bestätigen und doch schmunzle ich vor mich hin, denn neuerdings finde ich das tausendmal mehr charmant, als arrogant.

Ich habe mich in diese Stadt zum zweiten Mal verliebt. Nein, falsch. Beim ersten Mal war es Blickkontakt. Beim zweiten Mal war es Liebe auf den allerersten Blick. Dieser warme November, das Licht in den Straßen, die vielen Cafés, die unverschämten Preise, die sie sich leisten (können). Der Sing-Sang in den Straßen, das australische Pärchen, das neben mir im Restaurant saß und schon vor 26 Jahren seine Liebe in Paris gefeiert hatte… wie kann man sich in dieser Stadt jemals streiten, fragte ich mich. Und im gleichen Atemzug dieser Gedanken klingelte mein Handy, weil ich das Glück hatte, den charmantesten und witzigsten Pariser kennengelernt zu haben.
Paris, das ist für mich seit einer Woche nicht nur die plakative Stadt der Liebe, sondern viel mehr. Die Stadt der Spontanität, der Gastfreundschaft, der Geselligkeit und des Lebens. Noch niemals zuvor wurde ich so herzlich aufgenommen und an die Hand genommen, weil die Stadt dunkel wurde und ich mich bewusst fallen lies.
Als ich mitten in der Nacht beschloss, aufzubrechen, krönte meine Taxifahrt alle meiner 48h-Erfahrungen. Glücklich grinsend saß ich auf dem Rücksitz und wurde durch die nächtliche Stadt gefahren, über den Place de la Concorde, vorbei am Arc de Triomphe, angehalten kurz vor dem Eiffelturm, noch schnell den Nachtwächter aus dem Bettchen gescheucht und herzrasend ins eigene Nest geplumpst.
Dich gebe ich nicht wieder her.

Nun sind für mich Franzosen die Sorte von Menschen, die sich zwei Tage später ins Flugzeug setzen, nur um dich zu sehen. Die dich verschlafen anlächeln und im perfektesten Akzent sagen: "Du bist eine kleine Kartoffel." Oder "Lebküchen".

Wenn jemand anfängt, über diese eigenartigen Pariser zu lästern, dann werde ich mich von nun an immer räuspern und sagen: „Entschuldigen Sie, aber ich kenne da ein Mädchen, dessen Geschichte ich Ihnen gerne erzählen würde… vielleicht bei einer Tasse Kaffee und einem Croissant?“

Ich freue mich auf dich, Paris, mon amour.


© 2011 Ani