Es ist ja so ´ne Sache mit
dem Küssen. Hat man jemanden gefunden, bei dem man merkt, dass man niemand
anderen mehr küssen will, dann kommt man auch ins Grübeln, wie viele falsche
Hasen (oder Frösche) man da mal an den eigenen Mund herangelassen hatte. Und
merkt, dass niemand und nichts davon mehr passt und diese ehemaligen Knutschereien
nur Zeitvertreib gewesen sein konnten. Und Übung. Und das Testen des berühmten
Auswahlverfahrens.
Diese Kuss-Kumpels von
früher, die Leichen im Keller oder die Geister, die man eigentlich nie mehr rufen
möchte – man kann sie betiteln, wie man will, irgendwann kommen sie doch immer
zurück. Ein komische SMS in der Nacht, eine unmögliche E-Mail oder ein kurzer
Moment zu lange bei Facebook online und zack... da wird man auf einmal wieder
kontaktiert vom früheren Versuchskaninchen. Warum fordern die eigentlich immer
was von einem, wenn man so glücklich ist, dass man am liebsten für immer die
Tür des eigenen Kuss-Kosmos schließen und nie wieder verlassen möchte? Die
wollen davon was abhaben, ein Stück dieser zuckersüßen Torte. Nix da. Sag ich.
Ich habe die Kontrolle, bzw. das Universum hat die Kontrolle, aber das meint es
ja gut mit mir.
Was aber, wenn die
lebendigen Toten aus dem ehemaligen Kuss-Keller des Partners auftauchen? Wenn
dem einstigen Urlaubsflirt meines Anderen vom ortsansässigen Wahrsager die
große Liebe prophezeit wird und die Gute beschließt, diese Aussage auf ihn zu
projizieren? Und dann auch noch ins Flugzeug steigt, der Heimat entflieht und
das große Glück in Deutschland sucht? Man mag viel spekulieren, wenn das die
Eckdaten sind, die man weiß, denn man kennt kuriose urbane Mythen, bei denen
diversen Menschen immer etwas passiert, worüber man schallend lachen kann –
solange es einem selbst nicht passiert. Doch irgendwann ist man auf einmal
derjenige, über den die Geschichten erzählt werden, bei denen jeder sagt: Das
glaube ich erst, wenn ich es selbst erlebe!
Ach ja? Na dann, bitteschön.
Mal ehrlich. Keiner will
einen Partner, den keiner toll findet, außer man selbst. Dann fängt man auf
kurz oder lang wohl auch an zu zweifeln. Aber man möchte ebenfalls nicht, dass
die Lebensabschnittsgefährten der Vergangenheit auf einmal in die
Gegenwart hüpfen und versuchen, ein bisschen Chaos anzurichten. Nein, das
möchte man nicht. Und wie löst man das Problem? Dem Stalker selbst auflauern
und in einer dunklen Gasse den Hintern versohlen? Ja, das wäre kindisch, aber
es würde zumindest mehr Spaß machen, als die erwachsene Variante zu wählen:
Kommunikation. Zwar fängt dieses Wort mit K an, kann sich also genauso positiv
wie ein Kuss auswirken, nur leider tun die Kardashians das auch und da kommt ja
nie was Gutes bei raus. Nicht mal was Schlechtes.
Und trotzdem wähle ich,
mutig und stolz, wie ich bin (zu stolz zum Prügeln), den Weg des Gespräches. Und
lerne einmal mehr, zu meinen Schwächen zu stehen. Schwächen, die eigentlich
Stark-Schwächen genannt werden müssten, denn sie umfassen Angst, Zweifel,
Skepsis und Unsicherheit. Wer kann schon in heutigen Zeiten, in denen man
manchmal so schnell alles verliert, wie man es bekommen hat, von sich sagen,
dass er so zu seinen Schwächen steht, dass sie ihn am Ende des Tages stark
machen? Und ein bisschen mehr authentisch. Und dadurch vielleicht auch ein
bisschen liebenswerter?
Ich kann mich gut daran
erinnern, wie ich in früheren Knutsch-Milchstraßen die toughe Freundin gespielt
habe, die sich allenfalls mal dazu herabließ, sarkastische Kommentare über
Beziehungsprobleme zu machen. Wer mich kannte und hinter die Fassade blicken
wollte, der wusste, wie schlecht es eigentlich um die Gefühle eines Menschen
steht, wenn er sarkastisch wird. Aber die, die sich keine Mühe machten, die
Gedanken einer Frau zu lesen, applaudierten mir zu und betitelten mich als
geistreiche Persönlichkeit. Ja gut, so sind wir halt, wir oberflächlichen
Kosmonauten.
Doch wenn man jemanden
gefunden hat, für den es sich lohnt, der Verletzlichkeit Platz zu machen und
ehrlich zu sprechen, dann sollte man das auch tun. Also spreche ich aus, was
mir nicht geheuer ist. Wovor ich Angst habe. Und was mich unsicher macht. Wenn
es auch noch so uncool ist. Und dann hoffe ich, dass ich nicht alleine auf hoher
See davonschippern muss, sondern, dass wir zu zweit im Boot sitzen. Und mal schauen,
was passiert. Mit all den Leichen im Keller – vor allem mit der mittlerweile
wieder Lebendigen.
Die Zeit vertreiben wir uns,
indem wir ein bisschen küssen. In Sicherheit. Denn der Schlüssel zum Kuss Kosmos
ist ein Kuss zwischen gleichgesinnten Kosmonauten.
© Ani 2013