Freitag, 29. Juli 2011

Die Tradition.

Ist es gefährlich, mit einem offenen Herzen durchs Leben zu laufen? Und wie definiert man überhaupt ein offenes Herz?
Reicht es denn schon, wenn man den ersten Schnee fallen sieht und sich ein Lächeln eingesteht? Wo fängts denn nun an und hört auch, bitteschön, wieder auf?

Wenn zwei Menschen aufeinandertreffen, einer mit geschlossenem und einer mit offenem Herzen, dann kann alles passieren oder eben nichts. Nach so vielen Enttäuschungen und Erlebnissen, die weh taten, habe ich immer wieder aufs neue beschlossen, mein Herz zu schließen – jedenfalls so lange, wie ich möchte. Aber es hat noch nie funktioniert und daher frage ich mich seit langem, ob wir uns selbst nicht einfach verpflichtet sind, es offen zu halten? Ist es nicht besser, Erfahrungen zu machen, aus denen man lernt, anstatt ein schönes Erlebnis, einen tollen Menschen nach dem anderen vorbeiziehen zu lassen, nur, weil man Angst hat, wieder verletzt zu werden? Quasi zu leben mit der Hand an der Notbremse...?
Viele meiner Freundinnen behaupten, dass gerade im zwischenmenschlichen Bereich die Männer abblocken, während die Frauen sich immer wieder aufs Neue in die Gefahr der Emotionen stürzen. Ich weiß nicht, ob man es pauschalisieren kann, dennoch habe ich auch oft das Gefühl, dass viele Männer einmal und nie wieder verletzt werden, weil sie für sich beschließen, dass das Hier und Jetzt ein Ende nimmt. Während Frauen das gleiche versuchen, sich aber schneller, als ihnen lieb ist, in einer Romanze befinden.
Wenn Liebe daran scheitert, dass zwar vielleicht beide wollen, aber einer sich bewusst dagegen entscheidet, in welcher Welt sind wir denn dann angelangt?
Wo gibt es sie noch – die Abenteuer, die Risiken und vor allem die Menschen, die bereit sind, diese auf sich zu nehmen? Die, die springen, ohne zu wissen, was sie unten erwartet?
Kennt nicht jede Leserin folgendes Beispiel: das erste Date: Sie ist nervös und steht schon seit dem späten Nachmittag vor dem Kleiderschrank. Die beste Freundin daneben oder am Hörer. Er zockt mit seinem Kumpel an der Play Station, kippt das ein oder andere Bierchen und macht sich viel zu spät auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt. Trotz aller Unterschiede verbringt man einen tollen Abend, man versucht Unsicherheiten zu überspielen, man mustert den anderen von oben bis unten, man fängt an, sich wirklich für das Gesagte des Gegenübers zu interessieren und nach ein paar Gläsern Wein, ist man sehr darauf konzentriert, die Contenance zu bewahren. Während Sie sich auf den Weg zur Toilette macht, um ihre beste Freundin anzurufen und ihr mitzuteilen, wie umwerfend Er doch sei, schaut Er ihr hinterher und schmunzelt in sich hinein, dass Sie eine echt tolle Frau ist. So verläuft ein perfekt scheinender erster Abend, mit einem perfekt platzierten Abschiedskuss.
Und was kommt dann? Während Sie tagelang vor dem Telefon sitzt oder ihr Handy auf stumm schaltet, um ab und an mal draufschauen zu können, widmet Er sich seinem Studium, seinem Beruf, seinen Freizeitaktivitäten, bis ihm nach drei bis fünf Tagen einfällt, dass das ja eigentlich ein echt schöner Abend war.
So oder so ähnlich kennt das jede Frau und natürlich kann da jetzt die gesamte Männerwelt aufschreien und sich ungerecht behandelt fühlen, aber seid an dieser Stelle doch mal ehrlich zu euch selbst: wieviele von euch Männern saßen schon wartend vorm Telefon, während sie vorher mit mindestens fünf Kumpels das Date haargenau analysiert haben, sich fünf Meinungen eingeholt haben und am Ende doch das gemacht haben, wovor sie jeder gewarnt hatte: dem Herzen zu folgen…? Eben.
© 2010 Ani