Freitag, 1. Februar 2013

Ich muss mal Pipi


Wenn der Jäger nach Hause kommt und seine Beute belächelt wird, ihm über den Kopf gestreichelt wird und er noch lange für Schmunzler sorgt, dann sind wir wohl in einer neuen Zeit angekommen. In einer Zeit, wo man sich durchaus liebevoll über den Jäger lustig machen darf. Denn auch die Frau weiß mittlerweile, wie es abseits der Höhle aussieht und welche Alltagspannen sie erwarten können. Doch vor allem eines sollte sie wissen – und das scheint sie seit gut einer Woche vergessen zu haben: Wie man mit den Pannen umgeht.

Die aktuelle Debatte um einen Politiker, dessen Namen ich angesichts seiner Unpopularität schützen möchte, und eine Journalistin, deren Namen ich wieder vergessen möchte, löst in mir allerlei Emotionen aus. Erst war ich geschockt, wie so eine Situation eine derartige Welle auslösen konnte. Dann war ich gelangweilt. Und habe ab und an ein bisschen gähnen müssen. Und dann war ich so genervt, dass ich mir dachte: Wenn das alle so interessiert, dann sage ich halt auch mal was dazu. Halten wir doch diese Debatte um HIMMELS(reichs) Willen so lange am Leben, wie es nur geht.

Männer sind Männer und Frauen sind Frauen. Daran wird sich nie etwas ändern, da können noch so viele Fußballer inoffiziell schwul sein oder hippe Familienväter beim Kauf von Baby-Gläschen ihre wahre Erfüllung finden. Auch Olivia Jones kann uns da nichts vormachen, wenn sie ihre männlichen Beine rasiert.
Männer werden immer mit ihrem Kumpel am Tresen stehen und frauenfeindliche Witze reißen, während Frauen immer die Bar betreten, um gesehen zu werden. Wem das nicht passt, der muss es trotzdem schlucken, denn passend gemacht wird hier nix. Und angesichts dieser Tatsache, die sich jedes Männlein und jedes Weiblein doch bewusst ist, finde ich es traurig, dass viele ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben.

Von Übergriffen und Belästigungen war nie die Rede. Wer denkt, dass ein Gespräch spät am Abend an einer Hotelbar keine Einladung für harmlose Flirterei ist, der sollte zu Hause bleiben, das Dirndl im Schrank lassen oder mit seinem Bruder Einen trinken gehen. Aber nur mit dem Großen, der kann dann beschützen, falls die bösen Politiker sich einfach nur spitzzüngig wehren wollen gegen bissige Kommentare der Presse, die leider nie den Mund hält.
Hier geht es überhaupt nicht um wirkliche Übergriffe, um Frauen, die leiden, weil sie sich nicht zu helfen wissen. Hier geht es um Menschen, die ihren Job gut machen wollten und sich beide zu weit aus dem Fenster gelehnt haben. Von Opfern sehe ich hier keine Spur, aber wenn wir Frauen uns wieder zu Opfern machen wollen, dann sollten wir den Kampf um Gleichberechtigung und die Realisierung von Führungspositionen im dritten Monat einer Schwangerschaft aus dem Kopf schlagen. Mädels – ihr könnt nicht beides haben. Also hört auf, euch als schwaches Geschlecht darzustellen. Im Grunde wissen wir alle, dass wir die Männer in der Hand haben. Und die wissen das auch und finden es nicht mal schlecht.

Der Spruch, der gefallen ist, ist in meinen Augen ein Kompliment. Ein noch Größeres dazu, angesichts der Provokation seitens Weiblein im Vorhinein. Hut ab, ich hätte mich wohl kaum zurückhalten können, nicht zurückzuschießen. Und ich kann absolut ehrlich sagen: Spätestens im Nachhinein habe ich mich immer über jedes Kompliment gefreut, das ich bekommen habe. Sei es absolut harmlos und nett oder gar anzüglich bis unerträglich gewesen – dahinter steckten ehrlich Absichten, die aufgrund eines hohen Alkoholpegels nicht mehr zu verdecken waren. Was ist nun schlimm daran? Fühle ich mich durch einen Kommentar so unwohl, dass ich die umliegende, gelöste Atmosphäre und die anwesenden Gäste vergesse? Und dadurch das Bedürfnis des Befreiungsschlages so groß wird, dass das ganze Land zuhören und sich unwillkürlich eine Meinung bilden muss? Zu einem Thema, das sicherlich jede Frau schon irgendwann mal erlebt hat oder erleben wird?

Ich finde es bedenklich, wie im Allgemeinen mit dem Thema der sexuellen Belästigung gerade umgegangen wird. Während die einen sich in Diskussionen über die Do’s und Don’t’s an einer spärlich beleuchteten Hotelbar verstricken, denken die Anderen, soziale Netzwerke wären DIE neue Plattform, um einen #Aufschrei zu starten. Da frage ich mich: Wem bringt es etwas, dass tausende von Frauen nun veröffentlichen, wann und wo sie sich aufgrund welcher Begebenheit einmal bedrängt gefühlt haben? Warum können wir uns auf einmal nicht wehren? Mag hart klingen, aber ich selbst kenne solche Vorfälle genügend, meine Freundinnen auch. Nicht eine von ihnen hat sich nicht gewehrt – sind wir nun die große Ausnahme? Ich denke nicht.
Was wir mit alledem nun lostreten, ist keine positive Veränderung für belästigte Frauen im Land. Was wir in Gang bringen sind Männer, die so verärgert darüber sind, dass sie erst Recht den Macho heraushängen lassen oder verängstigt reagieren, weil sie schon vorher Probleme hatten, Frauen anzusprechen. Bald haben wir die Wahl zwischen dem Kerl, der den Mund nicht hält und uns angrabscht und dem Mann, der den Mund nicht aufbekommt und Schweißausbrüche kriegt, wenn er in unseren Ausschnitt starrt. Weil er Angst hat, demnächst vom halben Land verteufelt zu werden. Großes Kino.

Es ist doch so schon nicht einfach, ein gelockertes Gespräch zwischen beiden Parteien entstehen zu lassen. Wer weiß, wie das nächtliche Zusammentreffen nun deutschlandweit weitergeht. Ich hoffe sehr, dass sich keiner einschüchtern lässt und zu sich steht. Und dem Pseudo-Opfer-Dasein den Rücken kehrt. Wo ist denn die Pipi Langstrumpf in uns? Ich selbst bin nach Annika Settergren, ihrer latent-langweiligen Freundin benannt, und weiß trotzdem, mich zu wehren. Weil Pipi immer meine Freundin war und mein Papa mir gesagt hat, dass ich jedem auf die Nase hauen darf, wenn er mir blöd kommt. Das können alle anderen auch.

Übrigens schnuppere ich selbst gerade Presseluft und habe dahingehend auf Heino getroffen. Heino, ein Softie, der jetzt auf Rocker macht. Meine vorgefestigte Meinung dazu habe ich gerne revidiert, als ein Mann vor mir saß, der zu allen Facetten seines Wesens stand: Härte und Weiche. Er spricht mit so einer tiefen und vollen Stimme, dass man ihm stundenlang zuhören möchte, sagt aber gleichzeitig, dass er keine zwei Tage von seiner Hannelore getrennt sein kann. Da kann ich gar nicht fies sein, da bin ich auf der Stelle Fan geworden, vor allem, als er das einzig Wahre sagte, von dem wir uns alle was abschneiden sollten: „Ich habe mich noch nie ernst genommen und das mache ich bis heute nicht.“
Ach, Heino. Vielleicht brauchen manche Journalisten einfach noch ein bisschen Zeit. Schließlich bist du ja auch schon 74.

Wir brauchen weiterhin die Jäger und Sammler, das ist doch klar. Wir wollen stolz sein dürfen und auch mal zurechtgewiesen werden. Aber wenn wir Frauen dann mal loslegen und zeigen, dass wir uns längst freigestrampelt haben– dann freuen sich doch ehrlich gesagt alle Männer so sehr, wie ein Dschungel-Opfer über den Spa-Bereich.

© Ani 2013

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen