Freitag, 13. Januar 2012

Nantes

ver l mis l sen

sich mit Bedauern bewusst sein, dass jemand, etwas nicht mehr in der Nähe ist, nicht mehr zur Verfügung steht, und dies als persönlichen Mangel empfinden.

Na ja, persönlicher Mangel? Ist das nicht ein bisschen krass formuliert? Oder gesteht man sich selbst während des Aktes akuter Vermissung (ich weiß, dieses Wort gibt es nicht) gar nicht so wirklich ein, wie sehr das einen Mangel darstellt? Nur für einen selbst natürlich, denn objektiv betrachtet hat das Ganze ja eh weder Hand noch Fuß (die Redewendungen...!).

Ach, vermissen. Ohne dieses Gefühl gäbe es nur halb so viele Filme und fast keine Musik.  Und ich müsste mich heute mit Arbeiten beschäftigen, anstelle dem Schreiben, was wiederum heißt, dass jemanden zu vermissen zumindest in dieser Hinsicht förderlich ist. Gefühle zum Ausdruck zu bringen als Zeichen persönlicher Weiterentwicklung. Oder, um mal ehrlich zu sein, eine Plattform zu haben, wo man jammern und sich einreden darf, es wäre, ähem, niveauvoll.

Die Frage ist doch eher die: Warum ist das eigene Leben nicht ausfüllend genug, damit man sich dagegen entscheidet, jemanden zu vermissen?
Und das soll jetzt gar nicht so hart sein, wie es klingt. Schließlich muss es ja mindestens einen guten Grund geben, warum die Person nicht (mehr) da ist.

Urlaub.

Trennung.

Untertauchen.


Und dann gibt es natürlich auch die Frage, warum man sich – im Fall einer Funkstille – nicht selbst zur Kontaktaufnahme entscheidet. Doch bevor dies geschieht, müssten hunderte von Fragen und Wegkreuzungen durchdacht werden, abgesehen davon muss man sich ja anhand einer Kontaktaufnahme öffentlich dazu bekennen, unter dem Akt des Vermissens zu leiden und – noch viel schlimmer – diesem zu unterliegen.

Nein, mal im Ernst. Vermissen ist scheiße. Wenn jemand nicht da ist, hat das Gründe, die verständlich sein sollten und wenn die noch blöder sind, als die eigentliche Abwesenheit an sich, dann sollten sie doch wenigstens akzeptiert werden, weil es eben verdammt noch mal so ist, wie es ist!
Aber meist ist man zu beiden Punkten nicht in der Lage. Man gibt sich dem Gefühl hin, man hört Beirut, deren Songs einem ins Ohr flüstern, bloß weiterhin so zu fühlen, man sei zumindest musikalisch auf dem richtigen Weg. Und man isst eine ganze Tafel Schokolade, nur, damit die Hände beschäftigt sind, um nicht zum Telefon zu greifen und der Mund voll ist, um nicht sprechen zu können.

Ob Männer auch vermissen? Ach ne, die stehen ja in der Zwischenzeit vor´m Spiegel und finden sich ziemlich geil.
Die einzigen Männer, die ich kenne und von denen ich weiß, dass sie das Vermissen praktizieren, sind mit mir befreundet. Na toll.
Ob mich jemand vermissen würde, wenn ich verspreche, mal für zwei bis drei Tage unterzutauchen...? Hallo?


Fakt ist, dass man sich dabei nur im Kreis dreht. Und ein Kreis hat kein Ende, daher fühlt man sich morgens auch genauso matschig, wie abends und beginnt den Tag genauso, wie man ihn endet. Mit einem dezenten, aber klar gesetztem Seufzen.
Unterbrechen kann man den ganzen Matsch ja bekanntermaßen nur selbst. Auch wenn eventuelle Hilfsmittel (Freunde, Tanzmusik, Wein, Witze, unfassbar tolles und einzigartiges Erlebnis) helfen können, muss man dennoch selbst ausbrechen und sich neu orientieren.

Natürlich gibt es verschiedene Arten dieses Gefühls. Der Andere kann es z. B. erwidern und somit bekommt das Ganze einen romantischen Touch mit Happy-End in Sicht. Sollte dies aber nicht der Fall sein, wird es irgendwie grau um einen herum und man muss unweigerlich die Situation in Ampel-Stufen gliedern. Befindet man sich im gelben Bereich, ist noch Hoffnung da, was aber auch kein wirkliches Ende der Situation verspricht und wir somit wieder beim Kreis angelangt sind.

Letzten Endes ist es doch so: Hat eine Person es wirklich verdient, vermisst zu werden, dann kommt sie auch zurück. Sollte dies nicht der Fall sein, stelle ich hier ein neues Gefühl vor:

Gleichgültigkeit.

© Ani 2011

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