Mittwoch, 12. Dezember 2012

Das Gespräch der Hirnlosen

Was macht man, wenn man mit einem Menschen nicht über das Small-Talk-Niveau hinauskommt? Klar, akzeptieren, dass derjenige einfach nicht mit mir auf einer Wellenlänge ist, das wäre eine einfache, aber klare Lösung. Nur was, wenn der Mensch sich auf unbestimmte Zeit ins eigene Leben gesetzt hat, also z. B. die Partnerin des Bruders oder der beste Freund der allerbesten Freundin ist? Ja, da wird es schon schwieriger.

Ich hasse Small-Talk und hoffe, dass ich da für die meisten (bitte alle) spreche. Wenn ich mit jemandem über Belanglosigkeiten rede, weil man sich noch nicht gut genug kennt für Intimitäten oder, weil man sich einfach nicht genauer kennenlernen möchte, dann beobachte ich mich immer von außen und könnte mir direkt vor die Füße kotzen. Ein nettes Lächeln hier, ein Plausch über das triste, norddeutsche Wetter da, zack ist es fertig, das Geschwätz der leeren Hirne – und ich bin eins davon. „Mittendrin, statt nur dabei!“, schreit die eine, noch funktionierende Hälfte, bevor auch sie gänzlich verstummt.

Ich bin ja eher Typ Herz auf der Zunge. Wenn ich ein Gläschen Wein intus habe und mir jemand vorgestellt wird, den ich sofort r-e-i-z-e-n-d finde, dann bin ich ab dem ersten Moment ungehalten. Gerne erinnere ich mich zurück an das Kennenlernen eine meiner Freundinnen. Wir dateten damals den gleichen Typen kurz hintereinander. Ich war die Erste, als kleine Randinformation. Als er sie dann zu einer Feier mitbrachte, trank ich mir Mut an, denn es gab nur eine Mission für mich an diesem Abend: Ausspionieren. Also habe ich mich dezent schwankend an sie herangepirscht und pseudo-unwissend angesprochen.  „Na, und mit wem bischd duuu hieaa?“
Zehn Minuten später lagen wir uns in den Armen, hatten eine gemeinsame Weltreise geplant und beide zugegeben, dass der Mann, den sie gerade und ich vorher gedatet hatte, irgendwie eher eine Frage, als eine Antwort sei. Ich gebe zu, der Alkohol hatte diese große Sympathie natürlich unterstützt – wir verstehen uns aber nach wie vor genauso gut, übrigens auch während ihrer Schwangerschaft, da tranken wir nämlich beide nichts.
Im Allgemeinen habe ich es bis jetzt noch nie bereut, sehr schnell den in meinen Augen wunderbaren Menschen näherzukommen. Wozu auch über das Wetter reden, wenn jeder die App dafür auf seinem Handy hat? Wozu Komplimente über das Kleid machen, wenn es immens unvorteilhaft geschnitten ist? Eben.

Was aber tun, wenn man weiß, dass da jemand ist, mit dem man sich früher oder später auseinandersetzen muss, aber jedes mal nach Worten ringt, weil einem nichts, einfach nichts einfällt? Leere im Kopf. Es ist ja auch einfach eine traurige Sache, schließlich ist man sich nicht automatisch unsympathisch, nur, weil man keine Gemeinsamkeiten hat. Ich bin unsportlich, mal abgesehen von Yoga und einer auf Eis gelegten Ballettkarriere – wie soll ich mich also mit jemandem unterhalten, der alle Sportarten dieser Welt beherrscht und ich schon Ausschlag kriege, wenn ich nur an eine davon denke? Ist es denn zwischenmenschlich legitim, mit jemandem auf einem oberflächlichen Niveau zu bleiben, obwohl er ein wichtiger Bestandteil im Leben eines mir wichtigen Menschen ist? Ausweglos, scheint es mir, aber beim Small-Talk will ich es eben nicht belassen.

Eventuell hilft ja auch hier ein Gläschen – oder eine Flasche – Wein. Dann überschütte ich die betreffende Person einfach mit peinlichen Anekdoten aus meinem Leben (oder dem Leben meiner Freunde) – soll, wie wir seit Bridget Jones wissen, ungemein sympathisch wirken. Damit ist dann vielleicht der Weg für gemeinsame Peinlichkeiten geebnet – und die schweißen bekanntlich am stärksten zusammen.

© Ani 2012

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