Ich
sitze in einem alten Mercedes-Benz-Taxi, welches so aussieht, als sei
es weder vom genannten Unternehmen hergestellt, noch überhaupt in
diesem Jahrhundert auf die Welt gekommen.
Das
Schöne daran ist, dass ich diese dezent gefährliche Fahrt nicht mit
Beinfreiheit krönen kann, sondern sie mit fünf weiteren Touristen
und dem äußerst kompetenten Fahrer mit Hundeblick teilen darf. Dass
man auf der Autobahn angehalten wird, weil man unangeschnallt ist,
jedoch ein sogenanntes Grand Taxi erst
dann losfährt, wenn vorne drei und hinten vier Menschen sitzen
(Gurte nicht einmal vorhanden), ist eventuell etwas widersprüchlich.
Knappe 10 Stunden Fahrt liegen vor mir, die Freude des Anderen
neben mir hält sich in Grenzen, seine Magen-Darm-Grippe eher nicht.
Ja,
ich hätte es besser wissen müssen. Marokko war schon 2010 nicht
mein Land gewesen, hatten doch mein damaliger Freund und ich in der
Medina von Rabat endgültig beschlossen, uns zu trennen.
2012
ist zwar die Liebe auf meiner Seite, das Land eher weniger. Wo soll
ich anfangen?
Die
Auswahl unserer Erfahrungen ist groß. Gestartet waren wir zu zweit
in Marrakech – sehr chaotisch, weil statt klimatisiertem
Mittelklasseauto uns ein Gefährt erwartete, das beim Anblick schon
auseinanderfiel. Die Abwicklung unseres Mietautos lief auf der
Motorhaube ab, die Kreditkartendaten wurden als Kautionsersatz
abgepauscht – eher belustigt als genervt stiegen wir ein und
schlichen drei Stunden Richtung Westen, dem Sonnenuntergang und
Essaouira entgegen, um den Anderen zu überraschen, der dort schon
weilte.
Es
folgte ein entspannter Tag in einem mittelalterlichen
Fischerdörfchen, wo man Streitereien zwischen „Happy
Cake“-Verkäufern so anzetteln kann, dass der Ausbruch eines
dritten Weltkrieges nicht weit entfernt scheint. Auch wissen wir dank
wichtiger Recherchen meiner Freundin, dass Strandliegenverkäufer
nicht das halten, was sie optisch versprechen. Schade eigentlich.
Nachdem
ich lange überlegte, den süßesten Hundewelpen der Weltzone 4 (in
dieser befanden wir uns laut Handynetzbetreiber) mitzunehmen und den
Abend damit verbrachte, am Set von „Game of thrones“ die
Dreharbeiten zu verfolgen, ging es am nächsten Tag mit unserem
Tuk-Tuk in den Norden – die wortwörtlich atemberaubende Altstadt
von Fés wartete auf uns, gefolgt von Avocado-Shakes und dem
nettesten Hostelbesitzer mit dem schönsten Lächeln der Zone 4, was
nach erneuter Recherchearbeit leider auch hier nicht das hielt, was
es vorerst versprach (an dieser Stelle möchte gesagt sein, dass der
„Lonely Planet Love: Marokko“ schon in Bearbeitung ist).
Nach
zwei Tagen ging es im Morgengrauen zurück nach Marrakech,
Schrottschüssel abgeben und von dort aus mit dem Bus in das
Atlasgebirge. Die drei Tage, an denen es in Afrika regnet, hatten wir
uns anscheinend auch reserviert, und zwar für den „good price, my
friend“, und so kam es, dass wir im strömenden Regen bei Nacht auf
einer verlassenen Kreuzung ankamen, wo ein Taxifahrer auf uns
wartete, der uns weder Gepäck abnahm, noch begrüßte. Als er
Ersteres dann in einen überfluteten (keine Pfütze, my friend)
Kofferraum schmeißen wollte, bin ich kurz ausgerastet und wir
verfluchten ihn die komplette Fahrt lang auf deutsch. In Cascad d'
Ouzoud angekommen, wurden uns folgende Dinge angepriesen: Die beste
Tajine überhaupt (schmeckte nach rein gar nichts), ein Hammam,
welches sich als einzelner Duschschlauch in einem leeren, gefließten
Raum entpuppte und musikalische Untermalung des Abends, proudly
presented by Zahnlücken-Cowboy Isham. Wir täuschten eine
exorbitante Magen-Darm-Erkrankung vor und flüchteten zu Abdul, in
sein kleines, aber feines Hotel, welches direkt an den Wasserfällen
lag.
Daraufhin
erst einmal eine Wanderung, bei der wir ab und an vom Weg abkamen.
Entschieden haben wir uns dann eher doch für die Klettertour, barfuß
durch Flüsse und vorbei an einer halb verwesten, uns
entgegenreckenden Ziege. Abdul erklärte uns später, dass diese
Schlucht normalerweise nur mit erfahrenen Bergführern bewandert
werden würde und wir Großes geleistet hätten. Aha.
Der
weitere Plan war, einen Tag später den Nachtbus nach Rissani, also
in die Wüste, zu nehmen und was soll ich sagen, außer: Der Bus fuhr
ab, jedoch ohne uns. Ein religiöses Fest, bei dem schätzungsweise
alle Schafe des Landes geopfert wurden, lies Land und Leute (auch
Sofas) zu den Familien reisen und hielt für uns nur den Gepäckraum
des Busses als großzügiges Angebot bereit. „Die hätten uns da
bestimmt was reingebaut“, meinte der Andere wehmütig, während der
Bus abfuhr und ich ihn mit bösen Blicken und Tränen in den Augen
strafte. So blieb uns nur die Option, die ganze Nacht in einem
kalten, stehenden Bus zu schlafen, weil der Nächste erst wieder um
5h morgens fuhr und alle Hotels überfüllt waren (das Schaffest, ich
verstehe).
Nach
dieser weiteren Odysee kamen wir fix und fertig in Merzouga an, ein
Camp vor den Toren der Sahara, wo leider die größte finanzielle
Abzocke des Urlaubs auf uns wartete. Zuerst aber ritten wir auf
Dromedaren in die Dünen, überwältigt von der Wüstenschönheit
konnte ich auch kurz die unglaublichen Schmerzen verdrängen, die so
ein Ritt mit sich bringt.
Dort
verbrachten wir den Abend mit zwei weiteren Touristen, darunter
Anthony, dessen staubtrockener (siehe Wüste), britischer Humor ein
großes Highlight der letzten Tage für mich war.
Als
wir nachts im Beduinenzelt Zeugen einer sexuellen Belästigung einer
Mitreisenden wurden, packten wir am nächsten Tag unsere Sachen und
ritten zurück zum Camp. Zwei Stunden lagen vor uns, in denen wir
ernsthaft darüber debattieren mussten, dass nach so einem Vorfall
nur eine Lösung für uns in Frage kam: Geld zurück, und zwar alles,
auch, weil wir am Abend in der Sahara noch von den Engländern
erfahren hatten, wie viel mehr wir bezahlt hatten für weniger, als
tatsächlich geleistet wurde. Dass eine Amerikanerin, die wir kurz
danach noch kennenlernten, das 6-fache von unserem Preis für die
Hälfte des zeitlichen Aufenthalts löhnen musste, brachte das Fass
zum Überlaufen und für mich war Polen offen – auch in der Wüste.
Das
Ende vom Lied: Nur das Geld der Mitreisenden fand seinen Weg zurück
in ihren Geldbeutel, plus eine Taxifahrt nach Marrakech hatten wir
bezahlt bekommen – der Anfang vom Ende.
Mein
Fazit? Ich habe große Probleme mit Marokko, auch wenn ich mir
versuche vorzustellen, dass sich dieses Land von einer besseren Seite
zeigen kann.
Die
Frage, die ich mir allerdings nebenher die ganze Zeit stelle, ist
die: Wo sind all die Frauen, die all diese Männer auf die Welt
gebracht haben? Eventuell auch mittlerweile jenseits von Afrika?
©
2012 Ani
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