„Ja
genau, auf hochdeutsch nennt man das Selbst-be-frie-di-gung. […]
Das ist das, was die deutschen Frauen am meisten machen. […] Bei
uns darf man das auch machen, aber die Deutschen betreiben es am
meisten.“
Huch.
Die orientalisch aussehende Dame in der U-Bahn kannte sich ja immens
aus und das Tolle war, dass sie beschloss, ihr großartiges Wissen zu
teilen – vor allem mit den deutschen, um sie herum sitzenden
Frauen.
Authentisch
sein in allen Situationen. Das war das Erste, was mir eingefallen
war, als meine Freundin von dieser Situation erzählte und wir Tränen
lachten. Für mich war die nette Ausländerin wirklich in erster
Linie authentisch, denn entweder war es ihr – auf gut deutsch, haha
– scheißegal, was die anderen U-Bahnfahrer/innen über sie dachten
oder sie wollte bewusst ihre Meinung teilen und ein Zeichen setzen –
so oder so, Selbstbewusstsein hat die Gute.
„Kind,
egal, was passiert, sei authentisch. Das ist das Beste, was dir und
Anderen passieren kann.“ Ein Rat, den mir meine Mutter schon gab,
als ich nervös vor dem Kleiderschrank herumtänzelte, weil wiedermal
eins dieser allseits bekannten, ersten Dates anstand. Und auch heute
noch schickt sie mich mit diesen Worten an neue Drehorte und zu
Vorstellungsgesprächen.
Mama
hat immer Recht, genauso wie Oma, die das ja auch schon Mama geraten
hatte. Also versuche ich es natürlich immer umzusetzen. Authentisch
zu sein ist schwierig, wenn man aufgeregt ist, wenn man alleine einer
ganzen, schon längst eingeschweißten Crew entgegentritt oder wenn
man hofft, dass das bevorstehende Date sich endlich mal nicht als
„Endstation Sehnsucht“
entpuppt.
Es
ist ja dann letztendlich auch wirklich eine Gratwanderung, denn was
fällt überhaupt unter diesen Begriff? Heißt es, dass ich von vorne
herein Klartext sprechen kann, also dass ich z. B. meinem Gegenüber
besser gleich erzähle, dass ich an verregneten Sonntagen „Die
drei ???“ höre, mir ab und an
um 6 Uhr morgens die Augenbrauen zupfe und jeden Tag mit mir
Konversationen (teilweise vor dem Spiegel) führe? Wohl eher
abschreckend, jetzt, wo ich das so geballt lese. Aber ja, so bin ich,
zumindest der wahrhaftige Teil.
Ich
glaube ja, dass die meisten von uns so viele Facetten an sich haben,
dass sie bei verschiedenen Leuten auch selbst immer ein bisschen
anders sind. Zwar bleibt der Kern stets gleich, aber man passt sich
doch schnell an: Wird in einer Runde ein Thema diskutiert, von dem
man keine Ahnung hat, sitzt man tendenziell eher ruhig dabei und hört
zu, während man beim neuesten Klatsch und Tratsch kaum die Klappe
zubekommt. Ganz schnell bekommen die Leute um einen herum ein ganz
anderes Bild, als die engsten Freunde es haben. Ist man nun trotzdem
in beiden Fällen authentisch und wann fängt man an, sich zu
verstellen – ohne es zu merken?
Die
Dame in der U-Bahn hätte sicherlich auch noch fröhlich
ausgeplaudert, wie sie selbst zum Thema Selbstbefriedigung stehe, man
hätte sie wohl nur fragen müssen. Vielleicht hätte sie eine
kostenlose Infobroschüre gleich dabei gehabt – herrlich, je länger
ich über sie nachdenke, desto beeindruckender finde ich sie. Ganz
gleich, ob sie mir sympathisch ist oder nicht, sie verstellt sich
nicht, ich glaube sogar, ihr würde der Gedanke nicht einmal kommen.
Ich
bin eher Typ Ich-möchte-es-allen-rechtmachen.
Am Drehort setze ich mich manchmal zu den Komparsen dazu, nur, um
nicht irgendjemanden mit Fragen nach dem Aufenthaltsraum zu nerven.
Wenn ich dann vergeblich gesucht werde, habe ich ein schlechtes
Gewissen. Wenn ich auf den Hasen meiner besten Freundin aufpasse,
bete ich immer leise, dass er nicht stirbt, denn das könnte ich mir
nie verzeihen, nicht mal, wenn er einfach nur einschlafen würde. Und
wenn Omi 80 Jahre alt wird, dann fahre ich schon mal 600km für 24
Stunden, um dann direkt danach weitere 800km zu fahren, weil ich
umziehe. Ja, diese Art und Weise kann anstrengend sein, aber im
Allgemeinen fahre ich damit sehr gut, es sei denn, ich halte zu lange
meinen Mund, wenn mir etwas nicht passt, und schäume dann über, was
zwar unter „authentischer Ausbruch meinerseits“ fällt, aber
nicht unbedingt sein muss.
Ich
möchte immer und überall so sein und agieren, wie ich wirklich bin.
Das ist mein Anspruch an mich und auch an die Menschen in meinem
Leben. Das heißt natürlich nicht, dass ich meine Launen, die ich
schon spüre, bevor sie überhaupt zu Tage kommen, immer und überall
auslebe, nein, aber ich mache endlich mal etwas, was nicht jedem
Recht ist. Z. B. habe ich kürzlich eine Party nach einer knappen
Stunde verlassen, weil ich sie einfach unglaublich schlecht fand und
ich dachte, dass Schlafen sinnvoller sei. Auch wenn Freunde dann blöd
aus der Wäsche schauen und manche das unhöflich und voreingenommen
finden, ich gehe trotzdem, weil ich es will. Und solche
Entscheidungen sind dann immer richtig.
Auch
höre ich mittlerweile auf, Smalltalk zu halten, wenn ich keine Lust
dazu habe. Manch einer mag das als arrogant abstempeln, aber wem
bringt es etwas, sich an einem Gespräch unter vier Augen zu
beteiligen, an dem sich – Hand aufs Herz – keines der vier Augen
eigentlich beteiligen will?
Übrigens
hilft es sehr, Menschen um sich zu haben, die aus vollem Herzen zu
sich selbst stehen und sich in keinem Zwiespalt mit der eigenen
Persönlichkeit befinden. So kann man schnell entscheiden, ob man sie
mag oder nicht, anstatt immer wieder die Meinung revidieren zu
müssen, weil die eigentliche Person irgendwie nie vor einen tritt.
Mein
Rat ist es, bei diesem Thema immer auf Mama zu hören, denn die kennt
ihr Kind am besten, lange bevor das Kind es selbst tut. Und sich auf
Liebe einlassen. Die holt alles aus einem heraus, was es da so gibt:
Lachen. Weinen. Urängste. Launen. Bedürfnisse. Glück. Sehnsucht.
Leben. Die geht tiefer, als jeder Tiefspüler, und wenn man
durchgespült wurde, steht man selbstbewusster und liebevoller sich
selbst gegenüber. Dann kann man sich anlächeln und zuzwinkern mit
den Worten: Man kennt sich.
©
Ani 2012
"Echt und authentisch zu sein bedeutet, Gegensätze im eigenen Wesen miteinander zu vereinbaren. Wenn wir lernen, uns selbst in wachsendem Maß zu akzeptieren, bis es nichts mehr in uns gibt, dessen wir uns schämen und das wir zu verbergen suchen, gewinnt unser Dasein jene Großzügigkeit und Wärme, die alle wahrhaft liebenden Menschen auszeichnet. – Anziehend ist, wer sich mit seiner innere Widersprüchlichkeit angefreundet hat."
AntwortenLöschenvon Deepak Chopra
Das wünsche ich dir und allen, die es annehmen wollen.
Deine Mama