Donnerstag, 11. Oktober 2012

Von Spülmaschinen und Zeitzonen

Ich bin echt nicht gut im Verabschieden. 


Und während ich das schreibe, frage ich mich, was das eigentlich heißt, „nicht gut sein?“ Ist es also nicht gut, wenn Sturzbäche fließen, während man sich in den Armen liegt? Eigentlich doch ein schönes Kompliment und trotzdem habe ich bei meinen emotionalen Ergüssen meistens das Gefühl, es würde mein Gegenüber noch mehr stören, als mich selbst.

Na wie auch immer. Heute habe ich den Anderen verabschiedet, es sind keine Tränen geflossen, zumindest keine, die er sehen konnte (folglich ist die Existenz derer absolut unklar), denn ab dem Zeitpunkt, ab dem wir merkten, welch Untergangsstimmung wir da zusammen hochbeschworen, mussten wir wieder lachen. Trotzdem machte es mich nachdenklich an vergangene Aufbruchsstimmungen und ich habe ein bisschen darüber sinniert.

Abschiede sind meist schwierig. So an sich, meine ich. Es ist doch ziemlich egal, für wie lange man „leise servus sagt“ (das wusste schon der gute Peter Alexander), in eine leere Wohnung kommt man so oder so erst mal zurück. Wenn man derjenige ist, der den Anderen verabschiedet, schwingt immer ein bisschen Wehmut mit. Unter Umständen ist man derjenige, der die Heizung zum ersten Mal in diesem Winter aufdreht, während der Andere schwitzend durch den Orient stapft. Oder man spült das Geschirr vom Vorabend und möchte die Zeit zurückdrehen, bis einem lächelnd einfällt, dass die Zeitverschiebung ihr Übriges tut und man nun tagelang vorausrennt. Nervt, braucht kein Mensch.

Vielleicht sollten sich Exemplare mit emotionalem Hintergrund (Frauen) beim Abschied sagen, dass dieses Wort nicht bestehen würde, gäbe es das Wiedersehen nicht. Nach vorne schauen, statt aufs dreckige Geschirr, Vorfreude statt Sehnsucht. Tendenziell graben wir aber viel lieber in der Vergangenheit, als in die Zukunft zu blicken, oder – Achtung, jetzt kann es unbequem werden – in der Gegenwart zu bleiben. Warum? Ist es so denn etwa einfacher?

Auch ich tue mir schwer, in dieser und in mir zu ruhen. Ich bin der Typ Mensch, der abends den nächsten Tag durchgeht, entweder, weil es mir davor graust oder ich mich immens darauf freue. Deswegen weiß ich auch jetzt schon, dass ich dreimal neu- und umpacken werde, einfach nur, weil es so Spaß macht zu wissen, dass man das Wiedersehen bald vor sich hat und die Freude darauf durch stundenlanges, äußerst sinnloses Packen ins Unermessliche treiben kann (brauche ich ein Cocktailkleid in der Wüste? Sicher ist sicher.)

Dieser gegenwärtige Abschied ist für mich eine Lektion fürs Leben. Um mir vor Augen zu halten, dass ich jemanden – und nicht nur einen Menschen – habe, dessen Abschied mir nahe geht. Dass ich das Privileg habe, darum gebeten zu werden, jemanden bis zum Abflugsteig zu begleiten. Dass ich mein leeres Bett zu schätzen weiß, eben weil ich normalerweise nicht alleine einschlafen muss oder will. Dass ich das Bild, wo die Blicke sich trafen und nichts geredet, bis das Schönste überhaupt gesagt wurde, in mir einschließe und trage. In der Gegenwart.

Das mag unglaublich kitschig klingen, vielleicht manchen zu ehrlich und zu nah. Aber ich kehre nur das Innere von uns allen nach außen, es geht uns allen doch gleich.

Und wenn ich dann daran denke, wie bei „Love actually“ die Ankunftshalle von London Heathrow gezeigt wird, wo sich Menschen aller Kulturen in den Armen liegen, dann kann ich mir nichts Schöneres vorstellen, als regelmäßiges Verabschieden. Weil wir wissen, dass das Wiedersehen unbezahlbar ist. 

Neuerdings praktiziere ich dieses übrigens ein bisschen emotionaler, als man es üblicherweise tut. Manche schließen die Tür auf, murmeln eine Begrüßung und geben sich allenfalls einen flüchtigen Kuss. Ich lege da jetzt eher so ein Hollywood-Ding aufs Parkett, halte den Anderen lange im Arm und rede mir ein, gerade von einem 3-wöchigen und äußerst waghalsigen Auslandsaufenthalt zurückgekommen zu sein. Hach, so ein bisschen Dramatik braucht‘s ja dann auch wieder, wenn es an räumlichen Trennungen fehlt. 
Oder für den Fall, dass man einfach an jedem Tag anerkennen will, welche Schätze man um sich hat, als immer zu erwarten, vom Leben darauf hingewiesen zu werden. Durch Abflughallen, Bahnhöfe – oder zwei dreckigen Tellern, statt einem.
© Ani 2012


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