Wir
finden jemanden sympathisch, wenn wir mit ihm auf einer Wellenlänge
sind. Quasi einen Gleichklang ergeben, das sagt die Psychologie.
Hört
sich hochtrabend an, ist aber im Grunde total einfach. Jemand betritt
einen Raum, man schaut sich den Menschen an und hat dann innerhalb
von drei Sekunden entschieden, ihn zu mögen oder nicht. Nettes
Lächeln und Blickkontakt schreibe ich hier mal riskant auf die Seite
„sympathisch“. Derjenige hat erstmal gewonnen.
Kommt
aber jemand zur Tür herein, lässt den Blick nur über dich hinweg
wandern, stellt sich also nicht vor und zeigt auch sonst keinerlei
Interesse, dann muss diese Person männlich und äußerst attraktiv
sein, denn in allen anderen Fällen (beispielsweise weiblich und
äußerst attraktiv) hat derjenige, sprich diejenige, sofort verloren
und dann kann es eine Weile dauern, bis man es sich anders überlegt.
Wir
sind alle voller Vorurteile und das macht es beim Kennenlernen
oftmals schwierig, denn so einige unserer Zeitgenossen bauen Mauern
aus Coolness um sich auf, während das, was dahinterliegt, vielleicht
genau die Wellenlänge wäre, auf der man selbst reitet.
Dahinterzublicken ist eine Option, zu der wir aber meist keine Lust und zu wenig Zeit haben, es gibt zu viele von ihnen.
Also
hangeln wir uns an Richtlinien entlang, beispielsweise guter Humor,
die Fähigkeit, dem Gegenüber zuzuhören, Gemeinsamkeiten. Deswegen
lernen z. B. Raucher im Schnitt viel schneller jemanden kennen, weil
es mittlerweile anerkannte Raucherpausen in Büros gibt und auch vor
den Bars tümmeln sich die Leidensgenossen – man hat gemeinsame
Themen (Feuer, Wetter, Zigarettenmarke) und schwupps ist die
Schnittstelle gemeistert. Stellt sich dann heraus, dass das Gegenüber
aber trotzdem irgendwie doof ist, kann man sich weiterhin auf
Small-Talk-Niveau unterhalten (Feuer, Wetter, Zigarettenmarke) und
das für sich aus der Konversation mitnehmen, was wichtig ist
(Zigarette schnorren).
Über
Menschen, mit denen ich nichts anfangen kann, kann ich mich
wenigstens exorbitant aufregen. Z. B. saß ich neulich in der S-Bahn
und unterhielt mich angeregt mit einer Freundin am Telefon, von der
ich seit Monaten nichts gehört hatte, als mich ein wildfremder Mann
ohne „Entschuldigung“ zu sagen oder sich zu erklären, mittendrin
anspricht und unterbricht. Nachdem ich kurz geantwortet , dies aber
mit einem strafenden Blick unterlegt hatte, tat er es immer wieder.
Frage mich bis heute, was der an mir wohl sympathisch fand, als er
sich am Ende bedankte und mit einem Lächeln ausstieg.
Was
ich auch ungemein nervtötend finde, ist, wenn jemand, den ich
sowieso nicht mag, dann auch noch anfängt, eine Diskussion über
meine eigenen Vorlieben zu führen.
Ein
zeitgenössisches Beispiel: Vor einigen Monaten habe ich aufgehört,
Fleisch zu essen – aus Gründen, die ich niemandem in der heutigen
Fleischkonsumzeit eigentlich erläutern müsste.
Zum
Verständnis möchte ich sagen, dass meine engsten Freunde
Fleischesser sind und ich weder missioniere, noch im Stillen Tofu ins
Essen schnippele. Sein eigenes Essverhalten soll, darf und kann jeder
für sich selbst entscheiden.
Was
mich aber so unfassbar uffrescht ist, wenn sich da jetzt jemand
hinstellt und so dermaßen intelligente Sätze von sich gibt, wie
„Vegetarier essen meinem Essen das Essen weg“ (Achtung, alles
lacht) oder, mein persönlicher Klassiker, „warum sollte ich auf
Fleisch verzichten? Ist ja voll bescheuert!“ Da fange ich dann
leider an, dezent von innen heraus zu schäumen und rot anzulaufen,
denn nein, ich bin kein Übermensch und schaffe es trotzdem und nein,
ich mache das nicht, weil mir langweilig ist und ich sonst nichts mit
mir anzufangen weiß. Des Weiteren setze ich mich dir, du schlaues
Kerlchen, auch nicht in Kambodscha am Tisch gegenüber und sage „Lass
ihn dir schmecken, den kleinen Welpen. Vielleicht
isst du ja heraus, dass er nur noch drei Beine hatte.“
Damit
würde ich mich ja leider auf das gleiche Niveau begeben, also esse
ich stillschweigend vor mich hin und wünsche mir so sehr die
Eier(stöcke) zu haben, um einfach zu sagen: Es tut mir leid, aber
du bist mir unsympathisch und das ist gar nicht schlimm, aber aus
diesem Grunde bin ich an keinem Gespräch interessiert.
Ich
gebe zu, ich bin schnell bei meiner Meinungsfindung. Und da auch ein
bisschen radikal. Aber nur, weil ich das selbst oft erlebe und es ja
nicht so ist, dass man diese nicht ab und an revidieren kann.
Meine
Freundin wird regelmäßig auf den ersten Blick für arrogant
gehalten – ein Mädchen, das keiner Fliege was zu Leide tun kann
und mit ihrer Tollpatschigkeit so manches Herz zum Schmelzen bringt.
Eine
andere Freundin hat mich monatelang argwöhnisch an der Schule
beobachtet, sodass ich sowohl Angst vor ihr, als auch Respekt ihr
gegenüber verspürte. Als wir dann zufällig ins Gespräch kamen und
merkten, wie sehr wir uns mochten, schmissen wir kurze Zeit später
eine Pyjamaparty.
Und
wiederum eine andere Freundin trug jahrelang ihre Bibel mit sich,
selbst übervolle Bars und Clubs hielten sie nicht davon ab,
betrunkenen Menschen daraus vorzulesen. Auch wenn ich sie in dem
Bezug für äußerst verrückt halte, so liebe und schätze ich sie
dadurch umso mehr.
Was
sagt uns das? Klar, es ist menschlich zu urteilen und Meinungen zu
festigen, auch strahlen wir oftmals etwas aus, was wir gar nicht
wollen.
Im
Großen und Ganzen sollte man also natürlich dazu bereit sein, ein
paar Minuten länger im Unklaren zu verweilen und sich erst dann eine
Meinung zu bilden. Das ist schwer, vor allem, wenn ich schon beim
Hände schütteln merke, dass das mit uns beiden nichts wird. Sorry.
Das
eigentlich größte Dilemma stellt sich dann heraus, wenn der
Unsympath #1 dich total nett findet und gerne mal mit dir einen
Kaffee trinken gehen möchte – jetzt, wo man doch befreundet ist.
Uff. Vielleicht erzähle ich ihm, ich würde nur grünen Tee
schlürfen und Kaffee verschmähen?
Sollte
das jetzt jemand unsympathisch finden, ist das ok.
Für Lisar, meine sympathischste Unsympathin.
© Ani
2012
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