Dienstag, 7. August 2012

Von Gegensätzen und Elefanten an falschen Plätzen

Ziehen sich Gegensätze wirklich an und wenn ja, wie weit kann man voneinander entfernt sein, um sich anzuziehen? Reicht es, nebeneinander zu sitzen? Oder erkennt man erst den Wert des Anderen, wenn er kilometerweit weg ist?

Die Einen sagen, Gegensätze ziehen sich an. Die Anderen sagen, dass man genügend Schnittfläche – also Gemeinsamkeiten – braucht, damit eine Beziehung funktioniert. Ich schwanke immer hin und her, so wirklich entscheiden kann ich mich noch nicht, vielleicht ist es ja eine Mischung? Eine Mischung aus Gegensatz und Gleichheit.

Der Partner meiner Freundin ist doppelt so alt, wie sie selbst. Reicht das, um Gegensatz zu sein oder ist das vielleicht sogar schon zu viel? Wenn ich anfange, beim Mädelsstammtisch herumzufragen und versuche, Meinungen über Themen einzuholen, dann stelle ich immer fest, dass jede meiner Freundinnnen die Dinge anders sieht. Und manchmal verwundert es mich ein bisschen, sind wir doch eigentlich uns allen so nah, so vertraut, so ähnlich in vielen Dingen - und dann doch wieder nicht?
Auf einmal stand ich da, im Kreise von tollen Frauen, von denen jede etwas Kluges von sich gab, etwas, womit ich teilweise gar nichts anfangen konnte und dann trotzdem merkte, dass es überlegte Worte waren, geprägt von Erfahrungen und Meinungsbildung.

Gegensätzlich zu sein, kann eine ziemlich heiße Angelegenheit darstellen. Es erzeugt Reibung und Spannung, doch es kann schnell passieren, dass die Vulkane überbrodeln und der Punkt kommt, an dem man auf einmal zu weit voneinander entfernt ist, um sich anzuziehen.

Und dann gibt es auch noch den Gegensatz zum Gegensatz: die Gleichheit, man kann sie auch Harmonie nennen. Zwei Menschen finden zueinander und funktionieren. Sie können unterschiedliche Interessen haben, aber die Schnittstelle am Ende des Tages, die ist sehr groß. Und dann? Während man sich darin einnistet, in diese Fast-Perfektion, hält das Leben einen Gegenpol bereit. Zumindest meistens, das Leben kann's halt. Wie folgt:

Als ich in schierer Überdrehtheit (Cuba Libre) vor mich hin sang (tüdelü), gedankenverloren (… meine Ohrringe sind so schwer) und pur glücklich, traf mich eine Nachricht, eine Neuigkeit, eine Veränderung, die mich schlagartig auf den Boden des Erwachsenseins zurückholte.
Ich atmete, hörte zu, sagte kaum was, sondern beobachtete, was die einfallenden Daten mit mir machten, mit meinem Verstand, meinem Köper, letztendlich vor allem mit meinem Herzen. Und dann fragte ich mich auch, wie ich noch vor zwei Jahren auf die gleiche Situation reagiert hätte... oder, wie meine Freundinnen darauf reagieren würden.
Bin ich im Gegensatz zu dem Menschen gegenüber zu emotional? Kann er mich verstehen, auch wenn er mich eventuell nicht verstehen kann? Wie sehr kann ich mich freuen, dass die Schnittstelle von uns beiden so groß ist, dass man den Elefanten, der auf einmal im Raum steht, realisieren und greifen kann?
Der Elefant im Raum ist nämlich das beste Beispiel für eine Tatsache, die auf einmal da ist, unausweichlich und so groß, sodass man sie kaum übersehen kann, es aber versucht. Fail. Also muss man ihn gemeinsam betrachten und überlegen, wie man das Tier nun wieder dahin schafft, wo es hingehört.

Es ist schwierig zu sagen, Beziehungen würden von Gegensätzen leben. Oder, im anderen Fall, davon, dass man im harmonischen Miteinander über alles sprechen könne. Im Grunde sind wir ja alle verschieden. Es kommt nur darauf an, inwiefern man bereit ist, sowohl Gegenpol, als auch Harmonie als Geschenk zu sehen. Am Einen zu wachsen, am Anderen zu ruhen.

Einer guten Freundin habe ich heute gesagt, dass ich ihr wünsche, sie werde glücklich - egal wo. Und das "egal wo" war gar nicht so einfach, weil wir ziemlich unterschiedlich sind und auch noch weit auseinander wohnen, was mir manchmal so gar nicht passt. Aber wenn man sich bewusst macht, dass wir alle doch nur glücklich sein wollen, dann ist da schon mal eine ziemlich große Schnittstelle - selbst, wenn man sich dazu trennen muss.
Ich habe die Hoffnung (seufz) und das Vertrauen (ja!), dass es möglich ist, gemeinsam verschiedene Wege zu gehen - und sich dabei durchgehend anzuziehen.

© Ani 2012

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