Als ich den Reißverschluss meine Abiballkleides ohne Probleme zubekam, sah ich mich im Spiegel an und mein erster Gedanke war: „Es passt... Krass.“
Vor 6 Jahren hatte ich es das letzte Mal getragen, habe es seither von Wohnung zu Wohnung geschleppt und trotzdem nie wieder angezogen – aber es passte, auch wenn der Mensch darin sich so verändert hatte.
Dann legte ich mich in dem Kleid auf meinen Fußboden und versuchte zu verinnerlichen, was es alles bei dem Monolog, der nun folgen sollte, zu beachten gab. Und mir kam, was für eine schöne Ironie es doch war, dass ich damals auszog, um Schauspielerin zu werden, und nun einen Monolog in meinem Abiballkleid vorbereitete, für ein Theater in der Heimat, wo meine Schulzeit geendet und ein neues Abenteuer angefangen hatte.
Es fing eine Zeitreise in die Vergangenheit an, in die Gegenwart, letztlich zu mir selbst. Wo waren die Träume hingeraten, dachte ich mir, und gestand mir schweren Herzens ein, was ich so alles in den letzten Monaten weggeworfen und innerlich aufgegeben hatte.
Eine Zeit lang war ich nur geschwommen, mir war alles Recht und eigentlich so gar nichts. Tausend Ideen rauschten durch meinen Kopf, aber keine war greifbar und zurück blieb weiterhin der Traum vom Spielen, meine persönliche Hassliebe, der Teil in meinem Leben, ohne den ich noch nie konnte, aber seit kurzem auch nicht mehr mit.
Und dann? Dann ist da Raum für magische Momente, wie z. B. das Telefonat mit meiner Mutter. Wir haben zusammen in Erinnerungen gewühlt, etwa, wie ich mich jahrelang auf meinen pinken Plastikstuhl gestellt hatte, mir eine Toga aus weißem Gardinenstoff umgeworfen und dazu „Amazing Grace“ geträllert hatte. Oder all die selbst geschriebenene Theaterstücke und die teilweise genervten Blicke meiner jüngeren Cousins und Cousinen, die ich an jedem einzelnen Familiengeburtstag dazu gezwungen hatte, die Stücke auf die (Wohnzimmer-) Bühne zu bringen. Meine Lieblingserinnerung ist aber die, wie ich als 11-Jährige einen Film, der mich damals sehr bewegte, aufzeichnete, immer wieder abspielte und somit den letzten Monolog der Hauptdarstellerin abschreiben konnte.
Wir finden immer zu unserem Ursprung zurück, vielleicht dauert es manchmal länger, vielleicht brauchen wir die Hilfe derer, die uns am besten kennen. Um uns an uns selbst zu erinnern, an das, was uns ausmacht und erfüllt.
Aber im Endeffekt kommt immer irgendwann der Punkt, an dem man weiß, was einen glücklich macht und der kann sich jederzeit ändern, man muss nur die Augen offen halten.
Vor allem Film, das ist für mich ein Stückchen Wahrheit. Wenn man abends alleine im Bett liegt und sich die Seele aus dem Leib weint, weil man gerade genau das Gleiche erlebt, wie die Charaktere des Films, dann ist man nicht traurig, sondern glücklich, weil man sich dadurch wiederfinden kann. Alles, was auf der Bühne oder der Leinwand jemals zu sehen war, war vorher Teil des Lebens eines Menschen. Oder von vielen, wer weiß das schon, das Leben schreibt ja bekanntermaßen die besten Geschichten.
Dieses Gefühl der Erfüllung muss jeder in sich finden, denn Beruf kommt von Berufung und nicht von Geld, Ansehen oder Zwang, es ist auch nicht einfach irgendein Job - auch wenn es wieder nicht klappt, wieder Ängste aufkommen oder Zweifel neu erscheinen.
Die Schauspielerei und ich, das war im Prinzip schon immer eine gute Idee. Aber wir beide haben Zeiten, in denen wir nicht harmonieren. Ich habe sie zum Feind gemacht und genauso war sie mir dann auch entgegengetreten.
Aber wenn ich diese Tage die Bühne der Schauspielschule betrete, die mich abgelehnt hatte, weil ich voller Zweifel und Wut auf mich selbst damals dort oben stand, dann kann ich mir sagen, dass ich es trotzdem geschafft habe und dass ich nun hier stehe, einfach um zu üben und das, was ich kann, aufzufrischen. Somit wandle ich meinen Feind erst einmal um in meinen Endgegner. Und irgendwann demnächst freunden wir uns wieder an. Was nicht ohne einander im Leben kann, das sollte mal versuchen, das Glück im Miteinander zu finden. Vielleicht auch mal als Lebensweisheit so dahin gestellt.
Und so schnuppere ich wieder Bühnenluft, da, wo ich mal am tiefsten gefallen bin, aber nun wieder stehe. Tief in den Bauch atmen, Solarplexus öffnen, Raum nehmen, den Korken im Mund visualisieren, mit der Stimme nicht kippen, auch wenn die Emotionen hochkommen, die Brüche klar setzen – wenn das mal kein Handwerk ist, so ist es dennoch ein Teufelswerk.
Ich liebe dich, du schönes Biest.
As we joke around like fools
See who can be the worst
Watch what I can do
But then the door gets slammed, slammed right in my face
And I guess this world's not always good
And nothing's real but love
Nothing's real but love
No house, no car, no job, can beat love.
(Rebecca Ferguson - Nothing's real but love)
© 2012 Ani
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