Platz da, jetzt komm ich!
Eine Aussage, die auf den ersten Blick oft missverstanden wird, mit der Ellenbogen-Gesellschaft in einem Atemzug genannt wird und auch sicherlich manchmal so zu deuten ist.
Es gibt Menschen, die sich überall und ständig alles nehmen, von dem sie denken, dass es ihnen zustehe. Oftmals läuft das auch gut, es sind im Grunde genommen Menschen, die sich mehr trauen, als Andere – ob sie mit fairen Mitteln spielen oder nicht.
In meiner Widder-Natur liegt es sehr, dass ich oftmals schon den Kopf an der Wand habe und mich kaum zurückhalten kann, da durchzuwollen. Immer und mit allen Mitteln. Solche Willenskraft hat mich schon oft weit gebracht, sie trägt über Zweifel und Rückschläge hinweg und manchmal ans Ziel hin.
Doch wie schaut es mit Gefühlen aus? Wenn zwei Menschen sich kennenlernen, kommen sie irgendwann an den Punkt, an dem man für den Anderen ein bisschen Platz machen muss – sofern man das möchte. Ich habe in Liebesangelegenheiten schon oft erlebt, dass ein Vorgehen mit dem Ellenbogen einen eher von der Zielgeraden abbringt, als da hinträgt, wo man hin möchte - ins Herz des Anderen.
Mit meiner frisch vergebenen Freundin habe ich erst kürzlich darüber geredet, wie es denn ist, sich für jemanden zu entscheiden, sei der Zeitpunkt auch noch so ungünstig. Und wir sagten uns beide sehr schnell, dass das Leben einfach so ist, wie es ist, so spielt, wie es spielt und wer auf den Zug nicht aufspringt, der bleibt halt stehen und winkt ein bisschen.
Es macht keinen Sinn, keinen Platz zu machen, obwohl man möchte. Eine Erfahrung, die ich selbst mal machen musste und die vorerst nichts anderes verursacht hatte, als sehr weh zu tun. Ich wollte da rein, in dieses Herz, der Andere irgendwie auch und trotzdem stand er sich selbst im Weg und hat mir regelmäßig den Riegel vor die Tür geschoben. Da hilft kein Klopfen, Flehen oder gar das Eintreten - es gibt nur das Warten oder Weitergehen, letzten Endes führt meist die Variante 2 über die Variante 1.
Und ich kenne es selbst zu gut, sich Ausreden an Land zu ziehen, um jemandem zu vermitteln, dass da jetzt gerade keine Option auf Platzhalterung bestünde. Man stecke im Umzug, man hätte so viel Berufliches zu tun, man käme gerade aus einer langen Beziehung und bräuchte Zeit für sich... Fakt ist aber: Das Leben kennt kein schlechtes Timing. Die Dinge passieren genau dann, wenn es richtig ist und wenn sie dazu führen, dass Beziehungen ersticken, bevor sie überhaupt erblühen, dann steckt dahinter eventuell eine Lernaufgabe und leider kein Verweilen auf Wolke 7.
Forcieren bringt oftmals viel, jedoch nichts in der Liebe. Als ich wiedermal beschlossen hatte, mich auf meine sogenannte working-ani zu konzentrieren, im Schlafanzug vor dem PC saß und vor mich hin arbeitete, schrieb mir eine Freundin, über die ich mich erst ein paar Stunden vorher fragte, was sie denn die Tage so treiben würde. Ich las ihre Frage, ob ich mit ihr weggehen wollen würde mit einem breiten Grinsen und schwang mich in mein neues Kleid – irgendwie hatte sich eh alles gefügt, wäre ich sonst ein paar Stunden vorher ein wunderschönes Kleid shoppen gegangen, obwohl ich mir ausdrücklich gesagt hatte, dass ich nur ein Oberteil bräuchte? Nein, irgendwie brauchte ich das Kleid und irgendwie brauchte ich den Abend und irgendwie auch die Nacht, denn alles, was ich wollte, war ein bisschen Ablenkung und heraus kam jemand, der zum schlechtesten Zeitpunkt seines Lebens trotzdem beschließt, ein bisschen Platz zu machen. Für das Kleid und den Menschen, der drin steckte.
Und so sitze ich nun hier auf meinem Fensterbrett im fünften Stock - meine eigens ernannte Dachterasse, weil mir ein Balkon so fehlt. Ich habe Platz auf diesem Brettchen gemacht für mich, trinke Kaffee und genieße meine Aussicht, während mich Gedanken beschleichen, dass ich arbeiten müsste. Also mache ich diesen unnützen Gedanken Platz für Inspiration, schreibe meine Kolumne, weil es gerade das ist, was mich am meisten bereichert.
Denn einen Menschen gibt es auf dem riesigen Parkplatz des Lebens nicht zu vergessen: sich selbst. Ganz ehrlich, wann macht man mal Platz für sich? Man rennt teilweise 6 oder gar 7 Tage von A nach B und wenn man das Bedürfnis hat, abends zur Yoga-Stunde zu gehen, dann wird die Tiefenatmung leider durch Schnappatmung ersetzt und in der Endentspannung strukturiert man den nächsten Tag. Ja, auch wir Yogis haben immer noch Einiges zu lernen.
Jeden Tag Platz für mich für mindestens 10 Minuten – quasi still stehen mit mir selbst. Hand in Hand. Dann geht doch alles viel leichter von dieser, dann macht auf einmal sogar Routinearbeit viel mehr Spaß. Dann ist da auch auf einmal Lust auf Neues, auf Irrationales und auf Verrücktes. Und dann, irgendwann, kann man auch mit einem anderen Menschen still stehen. Wieder Hand in Hand. Einfach so.
Ich hatte ganz vergessen, wie unglaublich schön es ist, sich nicht zu bewegen.
© Ani 2012
Ich bin stolz und berührt, wie viel Wissen und Weisheit du in den letzten Jahren gesammelt hast. Liebe dich und das Leben!
AntwortenLöschen