oder die Geschichte vom Lebenscocktail im Päckchen
Was macht man, wenn jemand sein Päckchen bei einem ablädt? Weil er es selbst nicht mehr tragen kann oder will. Weil es so schwer wird, dass man es abstellen muss. Irgendwo. Egal, wo.
Annehmen?
Wohl eher nicht. Vielleicht erst mal den Kopf schütteln, wenn´s zum
Sprechen nicht reicht.
So
hat jeder sein Päckchen zu tragen.
Meine Vorliebe, allseits verhasste Volksweisheiten in die
unpassendsten Momente einzubauen, wird eigentlich immer mit
genervtem Rollen der Augen kommentiert. Doch heute und hier passt er
leider wie die Faust aufs Auge.
Manch einer lädt sein Päckchen beim Anderen ab, weil es zu schwer
wurde und man auch irgendwie keine Lust mehr hatte, zu tragen. Ist
man dann zu baff, um geistreich zu kontern, und nimmt es auch noch
an, steht man da, wie der Depp vom Dienst und wird auch noch stehen
gelassen. Man wird angeschrien, obwohl man doch eigentlich nichts
gemacht hat, im Gegenteil, man hat die Wahrheit ausgesprochen und
weil die kaum zu ertragen ist, wird man dafür bestraft. So war es
doch schon immer. Die, die was zu sagen hatten, oder die, die
einfach nur anderer Meinung waren, wurden in der Antike verbannt (auf
schöne Inseln, darauf kann ich mich irgendwie noch einlassen), im
Mittelalter hingegen verbrannt (was nicht meiner Vorstellung
entspricht).
Wer
jemand Anderen anschreit, schreit nur sich selbst an. Meine Meinung.
Und
so läuft es ständig, auf der ganzen Welt und jede Sekunde. Menschen
projizieren ihre eigenen Probleme auf Andere und wenn man mit
ausgebreiteten Armen dasteht, dann hat man am Ende nur noch mehr zu
tragen und es ist eine Frage der Zeit, bis man selbst zum Nächsten
geht – anstatt eine andere Meinung nur mal anzuhören.
Du
greifst halt auch einfach immer so richtig in die Scheiße.
Als mir ein Freund diesen Satz am Wochenende vor den Latz - anders - Cocktail, knallte, war ich erst mal sprachlos. Harte Worte, einiges
dahinter. Man sagt sich immer, dass man das nicht bewusst macht, aber
es wird ja nicht gegriffen,
sondern man greift und
damit ist man wohl verantwortlich. Scheiße.
Wenn
man beschließt, sich einen Lebenscocktail mixen zu lassen, dann
sollte man sich bewusst machen, ob er nicht zu stark ist. Man nippt
nur ein kleines bisschen (das sind die schlimmsten Zeitgenossen),
aber da hat er einen schon und der Lebenssog beginnt und ehe man sich
versieht, läuft man am Morgen nach Hause und hat das Grauen im
Gepäck.
Und
trotzdem muss man sich eingestehen, dass man selbst die Reißleine
hätte ziehen können, sei es die vom eigenen
Happy-Birthday-Luftballon, der einen so kindlich dastehen lässt,
oder die Reißleine einer tickenden Zeitbombe. So oder so, man tut es
nicht, denn der Cocktail schmeckt herrlich, bis die Wirkung einsetzt
und man wieder ankommt. Da, wo man eigentlich herkommt: Kopf
schütteln.
Aber
schon Hesse hat diesen Schmerz so wundervoll neu definiert, indem er
schrieb:
In
jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns
hilft, zu leben.
Und
somit beginnt man, für das eigene Leben Verantwortung zu übernehmen.
Sprich, nur das zu tun, was glücklich macht und sich mit Menschen zu
umgeben, die die eigene Anwesenheit schätzen. Dann findet man sich
in einem 48h-Geselligkeits-Party-Fieber wieder, fliegt auf den Mond,
bucht eine Reise nach Rom und wird nach Afghanistan eingeladen –
Dinge, die nicht jeder in seinem Leben genießen kann.
Man
ändert quasi die Laufrichtung und hofft währenddessen, dass man
nicht, wie in einer von Kafkas
Parabeln, daraufhin von der Katze gefressen wird.
Ein
Viertel Jahrhundert geballter Freude, Erfahrungen (und was für welche!),
Lebenslust und Traurigkeit geht zu Ende. Auf die nächsten 25 Jahre,
auf Weisheit mit dem Löffel fressen, im Regen joggen zu gehen und saudumm daher zu reden. Auf den Wendepunkt und auf alles, was so oder so kommt.
Bis
dahin lade ich ab und an mal gerne mein eigenes Päckchen bei
Freunden ab, mal so zwischendurch, nur mit dem Unterschied, dass ich
vorher frage und die Option offen lasse, es wieder Retour zu
schicken. Es ist ja schließlich meins. Mein Päckchen, meine
Verantwortung, mein Leben. Nur bitte nicht schubsen.
Für
meine afghanische Schönheit, weil du mir ein so tolles Notizbuch für
diese Einträge geschenkt hast und von Anfang an dabei bist.
©
Ani 2012
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