Ok. Als ich über Weihnachten viele
alte Freunde besucht und gleichzeitig viele neue Gesichter kennengelernt habe,
bin ich zu folgendem Schluss gekommen: Die Mädels und Jungs fangen an zu
heiraten. Oder Häuser zu bauen. Wahlweise auch beides, teilweise gleichzeitig.
Zu Gast war ich bei Bekannten, die
nicht viel älter sind, als ich selbst, und gerade ein riesiges Neubauhaus in
eine noch riesigere Neubausiedlung gestellt haben. Schön, relativ leer,
supermodern, mit Bildschirmen in Wänden, wo ich sie nicht verstehe und tollem
Kamin, der die Kombination aus Wohlfühlatmosphäre und kühlem Trend zur Geltung
bringt. Hach.
Vom ersten Moment an hatte ich das
Gefühl, ich sei ein Teenager, der irgendetwas kaputt machen könnte. Und daran
hatte aber weder das Haus Schuld, noch die Leute – es lag einzig und alleine an
mir.
Auf der Heimfahrt habe ich überlegt,
wie viele verschiedene Arten des Lebens und Zusammenlebens es gibt. Und wie man
dazu neigt, sie zu pauschalisieren – und zwar in zwei Kategorien. Die Menschen,
die eher ländlich wohnen, und die, die es vorerst in die Städte gezogen hat.
Die meisten meiner Freunde, die dort zurückgeblieben sind, wo ich aufgewachsen
bin, befinden sich in oben genannten Angelegenheiten im absoluten
Schnelldurchlauf. Ausbildung, Zusammenziehen, Heiratsantrag, Haus bauen,
inklusive leerem Zimmer als Alibi-Arbeitsbereich. Ich frage mich, wie und wann
die das in der Zeit hinbekommen haben, während ich mit meiner besten Freundin
über unglaublich lausige Dates gelästert habe und immer wieder weitschweifend
darüber nachdachte, was ich denn jetzt mit meinem Leben so anstellen solle.
Die Menschen, die ich in der Stadt
kennengelernt habe, Menschen mit ähnlichen Lebensvorstellungen wie ich, die
bewohnen noch WGs oder kleine Apartments, in denen die Küche neben dem Bett
ist. Sie sind entweder Langzeit-Singles oder befinden sich in Beziehungen, die
sie allerdings nicht daran hindern, ordentlich feiern zu gehen oder
Auslandspläne zu schmieden. Und wenn sie das Wort Baby hören, kriegen die meisten
einen Hustenanfall. Alles ein bisschen chaotisch, alles ein bisschen ohne roten
Faden – vielleicht gerade deswegen gefällt es mir so sehr.
Vor einigen Jahren habe ich im
Schaufenster eines kleinen spanischen Designerladens ein Brautkleid im
Schaufenster gesehen. Ich habe mich auf der Stelle unsterblich verliebt und es
abfotografiert. Seitdem habe ich es vielen Leuten gezeigt, vor allem Männern,
die potenzielle Heiratskandidaten waren. Ich dachte, wenn sie es schaffen, sich
ein Brautkleid anzusehen ohne wegzurennen, dann könnte es was Ernstes werden.
Jedenfalls fanden es alle meine Freundinnen wunderschön, die Männer jedoch hatten
immer etwas daran auszusetzen. Mir ist das egal, das Kleid wurde ohne Zweifel
nur für mich geschneidert (ironischerweise ist es mir in dieser Boutique
übrigens aufgefallen, als meine damalige Beziehung in Trümmern lag).
Ich selbst sehe mich als emotionale
Planerin – ich möchte immer verliebt, überrascht und neugierig sein, jedoch den
Rahmen des Ganzen spanne ich. Zum Beispiel wusste ich schon immer ganz genau,
wie so ein perfekter Antrag auszusehen hat, aber würde ich ihn vorher schon
wittern und somit nicht überwältigt sein, würde ich ihn wohl trotzig ablehnen
und erwarten, dass das Ganze nochmal neu geplant werden würde. Auch auf den
Ring soll meine beste Freundin gerne im Vorfeld einen Blick werfen.
Aber, um
ehrlich zu sein, all das sage ich nur, weil mir noch kein Antrag gemacht wurde.
Weil ich nicht weiß, wie es sich anfühlen muss, wenn sich der Mensch, den man
liebt, allen Mut zusammennimmt und fragt, ob man den Rest des Lebens mit ihm
verbringen will. Weil man sich so einen Zauber in der heutigen Schnelllebigkeit
kaum vorstellen kann. Denn irgendeiner wettert immer dagegen, kommt mit
Scheidungsstatistiken, ansteigenden Zahlen von Eheberatern, der finanziellen
Unsumme einer Scheidung und so weiter.
Eine Bekannte kam kürzlich in den
Genuss eines Antrages. Und auch wenn dieser aus einem Missverständnis und
Aufregung heraus total schief gelaufen war, so war ich dennoch unglaublich
gerührt, als ich davon gehört hatte. Denn was ja eigentlich und nur zählt, ist
das Versprechen, welches sich beide gegeben haben. Egal, ob es vielleicht
irgendwann gebrochen wird. Wir sind alle nur Menschen, wir können die Zukunft
nicht sehen und wir können auch nicht beeinflussen, ob sich Menschen verändern.
Aber wir können zu einem bestimmten Zeitpunkt etwas wollen. Uns sicher sein. Es
versuchen und versprechen. Für unser Gegenüber und für uns selbst.
Tendenziell werden wir aber immer
älter, bis wir solche Schritte wagen. Ich kann das gut nachvollziehen. Weil ich
noch so viel vorhabe, was mit Familie nicht möglich ist. Oder vielleicht, weil
ich noch ein bisschen auf mich selbst aufpassen möchte, bevor ich wirklich
Verantwortung für andere übernehmen will. Aber im Grunde sprechen wir hier von
den Dingen des Lebens, für die wir doch alle leben. Am Ende des Tages wird kaum
einer Nein sagen zum Häuschen im Grünen, mit Hund im Garten, Bio-Eiern und
netten Nachbarn.
Doch muss man dazu heiraten? Ich frage
das, weil es in meinem Bekanntenkreis häufig diskutiert wird. Muss man sich also
auf einmal wieder mit der Kirche anfreunden, nur, weil man mit charmanten
Vorstellungen eines solchen Tages aufgewachsen ist? Wird deswegen das Heiraten am
Sandstrand unter freiem Himmel immer populärer? Weil das Mädchen nicht auf das
Kleid, die Romantik und das Versprechen verzichten möchte, der Mann aber aus
der Kirche ausgetreten ist? Kann man die Kirche an dem Tag ausblenden und
trotzdem sein Versprechen vor Gott leisten?
Meine (sehr gebildete) Freundin klärte
mich ja übrigens kürzlich darüber auf, dass von früher her gesagt wird, die Ehe
sei schon immer ein Entgegenkommen für das schwache Geschlecht gewesen. Man
gebe ihm dadurch Sicherheit. Aha, da hat sich aber so Einiges, äh, weiterentwickelt.
Angesichts dessen, wie viele Ehen über die Jahre einschlafen und man am Ende
pleite wegen der Scheidung ist, vermittelt sie vieles, nur nicht Sicherheit.
Viele Städter leben übrigens in wilder
Ehe und bauen kein Haus, sondern mieten sich eine schnieke Altbauwohnung. Und
bei diesem Gedanken höre ich wieder das Landei in mir, dem das irgendwie auch
nicht so recht wäre.
Was genau ich wirklich will, das kann
ich weiterhin planen. Um dann alles zu verwerfen, weil mein Gegenüber andere
Pläne geschmiedet hat – es gehören ja unglücklicherweise immer zwei zum
Heiraten.
Und da muss ich an einen Satz aus
meinem Lieblingsbuch denken, da heißt es von Steffi von Wolff: „Würde mich
jemand heiraten, wenn ich verspreche, nein zu sagen?“
Vielleicht müssen wir ja,
um all die Zweifel und Zukunftsängste weglächeln zu können, erst mal Nein
sagen, um uns Ja zu trauen.
Ich hätte ja übrigens ein Kleid. Und wenn mir niemand einen Antrag macht, dann trage ich es trotzdem irgendwann. Am Strand oder so.
© 2013 Ani
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