Donnerstag, 20. Dezember 2012

In den Schuhen meiner Beziehung


Ich sitze mit dem Anderen am Esstisch, als er sich die Küchenrolle zur Hand nimmt, an seinen Mund hält und irgendetwas Unverständliches in mein Ohr brüllt. Daraufhin lacht er - so, wie er eben immer lacht - während ich versuche, mir ein Lächeln zu verkneifen (was ich gerade übrigens auch tue) und bitte ihn, doch erwachsen zu werden.

Wenn ich meinen Freundinnen erzähle, er müsse anscheinend sein inneres Kind ausleben, dann lachen die Vergebenen und sagen, sie hätten ebenfalls einen Michel aus Lönneberga zu Hause sitzen.

So unterschiedlich zwei Menschen auch sein können – stecken sie in einer Beziehung, so haben sie die besten Chancen, genau daran zu (er)wachsen. Zu erkennen, dass das, was sie am meisten kritisieren, oftmals das ist, was sie selbst wollen. Oder nicht können. Oder beides. Dann sollte man handeln, denn wenn die Leichtigkeit geht, dann geht auch langsam alles andere.

Ich lerne zum Beispiel gerade, mehr Selbstbewusstsein aufzubauen. Obwohl ich Schauspielerin bin und die Menschen, die mich gut kennen auch sehr oft die Bekanntschaft mit meiner großen Klappe machen, kann ich auch ganz schnell ganz schüchtern und zurückhaltend sein. Lächeln, obwohl mir eher nach Weinen ist. Die Klappe halten, obwohl ich doch so viel zu sagen habe.
Also lerne ich es jetzt. Von ihm. Und bei den Dingen, die mich dann immer noch nerven, frage ich mich, was mich wirklich daran stört. Und warum überhaupt. Was dahintersteckt. Und ob ich darüber hinwegschauen kann, weil es doch eigentlich so nichtig ist.

Das mag vielleicht sehr anstrengend oder pseudo-psychologisch klingen, aber mir hilft es dabei, immer wieder an den Punkt zu kommen, an dem ich dankbar für meinen Anderen bin - weil ich mich lieber mal divenhaft aufrege, als niemanden zu haben, über den ich mich aufregen kann. Und danach trotzdem küssen darf. Har Har Har.

Im Grunde ist es aber immer gleich: Wenn er mir auf die Nerven geht, dann giggelt mein kleines Mädchen und die Frau in mir rollt gleichzeitig die Augen. Auf hohem Absatz und im Kinderschuh - kein Wunder, dass ich so oft verwirrt bin.
Wir stehen uns manchmal selbst im Weg, wissen gerade noch, wo wir herkommen, aber manchmal so gar nicht, wo wir hinwollen. Wir suchen uns jemanden dazu, dem es vielleicht genauso geht und gerade dann hilft nur die gute, alte Leichtigkeit, mit der man Hand in Hand durch die junge Beziehung schreiten kann. Oder hüpfen.

Manche sind ja der Meinung, Gegensätze würden sich anziehen. Und wiederum andere behaupten, dass man genug Gemeinsamkeiten für eine funktionierende Beziehung haben muss. Ich persönlich habe keine Ahnung. Wer gemeinsam gerne Ski fahren geht, ist nicht davor gefeit, sich trotzdem im Urlaub zu trennen. Eventuell, weil einer von beiden schlechter unterwegs ist und den Partner umfährt. Und wer anfangs die Unstimmigkeiten anziehend fand und immer von leidenschaftlichem Feuer geredet hat, kann sich schnell erschöpft bei der Paartherapie einfinden. Sparflamme auf dem Sofa.
Und irgendwo, zwischen all diesen Beziehungs-Irrungen und –Wirrungen versuche ich, meine ganz Eigene zu gestalten. Versuche, an den Herausforderungen zu wachsen, die Unterschiede zu überbrücken und die Gemeinsamkeiten auszuleben. "Klingt ja ziemlich erwachsen", sagte das verliebte Mädchen in mir und trat schmollend mit ihrem Glitzerschuh gegen mein Schienbein. Also habe ich eingeräumt und was daraufhin passierte, war Folgendes:

Gestern Abend bin ich vergnügt durch die Wohnung gehüpft, mit meinem Glas Weißwein in der Hand. Als wir dann am Esstisch saßen, meinte der Andere spitzbübig:
„Schön, dass du wieder gut drauf bist! Im Gegensatz zu gestern, da warst du ja eher schlecht gelaunt.“ Ich fühlte mich ein wenig ertappt und erwiderte räuspernd. „Ja und? Ich habe eben einen facettenreichen Charakter.“ Die zwei paar Schuhe gefallen mir ehrlich gesagt beide ganz gut.

Als ich übrigens gefordert hatte, er solle erwachsen werden, tat mir die Aussage im gleichen Moment schon fast wieder leid und ich dachte sofort: Verlange ich schon wieder zu viel? Wo versteckt sich die Leichtigkeit, wenn man sie so dringend braucht? Und wo sind meine blöden Glitzer-Ballerinas? Hallo? Hallo...!?

Ganz lieb sagte er dann: „Versprochen“. Und leckte mir über die Nase.

(c) Ani 2012

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