An Weihnachten habe ich meine
Uhr bei meinen Eltern liegen gelassen. Da könnte man jetzt
hineininterpretieren, dass ich mich unbedingt entschleunigen, will, muss,
sollte, könnte... oder, dass sie mir einfach nicht mehr gefällt. Es ist eine
goldene Casio-Uhr, Neuauflage der 80er-Jahre-Version. Ich hatte sie vor über zwei
Jahren gekauft, als sie KEINER trug und mag sie nicht mehr so sehr, seitdem sie
wirklich JEDER hat. Abgesehen davon, habe ich eigentlich gerne eine Uhr am
Handgelenk, denn ich bin ein überaus wissbegieriger Mensch, wenn es um die
aktuelle Uhrzeit geht. Und sie ist ein unumstrittenes Hilfsmittel im Kampf gegen
die Unpünktlichkeit. Denn ich möchte sowohl im Moment leben als auch pünktlich
sein!
Trotzdem. Ich bin dieser Tage
sehr rastlos und das liegt nicht (nur) am neuen Jahr, sondern war auch schon
die Wochen vorher so. Ich komme kaum zum Meditieren (das war gelogen, ich meditiere
gerade gar nicht) und das letzte Mal Joggen an der Isar habe ich noch
durchgezogen, als es so etwas wie Sonnenschein gab. Obwohl das für mich lange
Zeit ein richtiges Ritual darstellte, um abzuschalten und für mich zu sein.
Rennen für die Entschleunigung – klingt komisch, hat aber immer wunderbar
funktioniert. Zurückgekommen von der Tour bin ich immer als fast neuer Mensch
voller Motivation, Tatendrang und guter Laune. Eine mittelgroße Schande soll
mich überkommen, angesichts dessen, dass ich mir dieser Tatsachen bewusst bin
und sie nicht genügen, um mich bei meinem derzeitigen Aufenthalt in Hamburg
dazu zu bewegen (Wortwitz), um die Alster zu joggen.
Ich muss mich anderweitig
entschleunigen, mich wenigstens sekundenweise dazu zwingen. Wenn ich es schon nicht
schaffe, großartige Dinge derzeit zu leisten
- für mich, meine ich – dann müssen kleine Schrittchen her. Angefangen
habe ich damit, morgens mein Müsli zu futtern, dabei Kaffee zu schlürfen und
– und? Nichts weiter. Oha, das ist so unglaublich schwer am Anfang. An die Wand
gucken. Oder aus dem zweiten Stock, wo es nichts zu sehen gibt, außer der Reklame
gegenüber. Augen schließen ist leider auch keine Option.
Etwas zu tun, was einem nicht
leicht fällt, und das auch noch über einen längeren Zeitraum hinweg, kann einen
schon ein bisschen stolz machen. Egal, wie kinderleicht es für andere scheint –
oder meinetwegen sinnlos.
Kleine Schritte können ganz
groß werden, schon klar. Aber irgendwie sehne ich mich nach mehr. Und Meer. Ich
möchte wiedermal komplett aus dem Alltag aussteigen und lernen, wie es auch
anders gehen kann. Ohne Uhrzeit, ohne Pünktlichkeit, ohne Zwänge, ohne gesellschaftliche
Verpflichtungen und Knigge. Nicht dass ich mich an Letztere halten würde, aber
beeinflusst wird man ja sehr in dieser westlichen Welt – wenn man nicht will,
grenzt das schon fast an eine Rebellion. Also zieht es mich im März gen Osten, da hin, wo ich schon seit zwei Jahren hin möchte. Immer wieder kam etwas
dazwischen, immer wieder hatte ich niemanden, der mich begleiten wollte, also
lies ich die Chance wieder und wieder vorbeiziehen - somit auch die Zeit - und harrte es aus, das
Warten auf ein Zeichen von oben. Aber jetzt ist es so weit.
Ich möchte mich
entschleunigen, im wohl chaotischsten Straßenverkehr der Welt, weil ich mir
sicher bin, es da am besten lernen zu können. Barfuß in den schönsten Tempeln,
beim Meditieren zum Sonnenaufgang und am Sandstrand mit Kokosmilch. Direkt aus
der Nuss, nicht aus der Verpackung. Ja, man gönnt sich ja sonst nichts und
schließlich ist das ein wichtiges Vorhaben für mein Seelenheil.
Am Abend vor meinem Geburtstag
werde ich zurück sein und ich hoffe, dass ich alle Eindrücke ins neue Lebensjahr mitnehmen kann. Um die
Gelassenheit, die mal mindestens mein fünfter Vorname war, auch hier
wieder zu haben. Ohne viel dafür tun zu
müssen, schließlich würde ich gerne alle paar Wochen so lange verreisen, bis ich es schaffe, für mich still zu stehen und angekommen zu sein. Aber ich finde es auf Dauer zu einfach, das mit "Urlaub" herzustellen. Sich überschütten zu lassen mit fremden Eindrücken zeugt nicht gerade von einer kreativen Lösung. Deshalb meine kleinen Lösungen vor Ort und bis dahin, wie eben beispielsweise mein Müsli-Experiment.
Und wieso sind gerade so
viele ruhelos? Ist die Antwort einfach nur, weil das alte Jahr noch nicht abgeschlossen ist und das neue Jahr noch komplett unklar? So
erklärte es zumindest kürzlich eine Stresstherapeutin. Weil wir uns so schwer
tun, gelassen zu sein, wenn der Terminkalender noch leer ist, und wir aber
gleichzeitig doch so viele Herzenswünsche und Vorsätze mit uns tragen? Es ist
schwer, Gelassenheit zu üben, wenn man quasi auch noch dazu verdonnert wird.
Weil eben alles noch so in der Schwebe hängt. Vielleicht hilft es ja, sich zu
sagen, dass das neue Jahr nur leer ist, weil wir es dazu gemacht haben. Gäbe es
kein neues Jahr, gäbe es auch keine Deadline vorher und somit würden wir uns wahrscheinlich
eher in einer Endlosschleife befinden. Ob die allerdings be- oder entschleunigen würde,
kann ich so jetzt auch nicht adhoc sagen.
Gelassen bin ich persönlich, wenn alles reibungslos funktioniert. In allen anderen Fällen nicht. Oft bin ich hibbelig, zumindest im Kopf, denn bis in die Füße reicht es derzeit ja leider nicht. Ich bin zum Beispiel einer der Menschen, die regelmäßig mit anderen zusammenstoßen, weil ich SMS schreibe, während ich laufe. Warum? Weil ich ein schlechtes Gewissen kriege, wenn ich eine Nachricht gelesen habe, aber nicht antworte. Oder aber die Shuffle-Funktion meines Handys befriedigt mich nicht schnell genug und ich klicke minutenlang weiter, anstatt die Lieder einfach anzuhören.
Ein alter Schulfreund und wunderbarer Musiker singt dazu:
"Völlig gleich, wie oft du auf die Uhr schaust, es bleibt jetzt. Egal, wie du dich hetzt. (...) Keine Sorge, es tut dir nichts, wenn du es ignorierst. Und einfach nur passierst." (Spacemann Spiff - Ab heute immer jetzt)
Gelassen bin ich persönlich, wenn alles reibungslos funktioniert. In allen anderen Fällen nicht. Oft bin ich hibbelig, zumindest im Kopf, denn bis in die Füße reicht es derzeit ja leider nicht. Ich bin zum Beispiel einer der Menschen, die regelmäßig mit anderen zusammenstoßen, weil ich SMS schreibe, während ich laufe. Warum? Weil ich ein schlechtes Gewissen kriege, wenn ich eine Nachricht gelesen habe, aber nicht antworte. Oder aber die Shuffle-Funktion meines Handys befriedigt mich nicht schnell genug und ich klicke minutenlang weiter, anstatt die Lieder einfach anzuhören.
Ein alter Schulfreund und wunderbarer Musiker singt dazu:
"Völlig gleich, wie oft du auf die Uhr schaust, es bleibt jetzt. Egal, wie du dich hetzt. (...) Keine Sorge, es tut dir nichts, wenn du es ignorierst. Und einfach nur passierst." (Spacemann Spiff - Ab heute immer jetzt)
Ich möchte eine Balance
finden.
Die Großstadt, in der ich mich verlieren kann, wenn ich möchte. Meditieren, damit ich Antworten finde auf Fragen, die mir die Großstadt stellt.
Hummeln im Hintern, wenn ich sie brauche, um weiterzukommen. Gelassenheit, wenn ich im Stau stehe und mir Hummeln nur noch mehr im Weg stehen.
Mich streiten, damit die Fetzen fliegen, aber währenddessen bei mir bleiben. Und innerlich lächeln.
Die Großstadt, in der ich mich verlieren kann, wenn ich möchte. Meditieren, damit ich Antworten finde auf Fragen, die mir die Großstadt stellt.
Hummeln im Hintern, wenn ich sie brauche, um weiterzukommen. Gelassenheit, wenn ich im Stau stehe und mir Hummeln nur noch mehr im Weg stehen.
Mich streiten, damit die Fetzen fliegen, aber währenddessen bei mir bleiben. Und innerlich lächeln.
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