Es ist ein schwieriges Unterfangen, wenn man das Gefühl hat, jemand tritt in den eigenen Bereich. Quasi über die eigens gezogene Schwelle, die niemand überschreiten darf, es sei denn, man wünscht es ausdrücklich (s. David Beckham oder auch gerne Ryan Gosling).
Das Gleiche trifft auch auf Personen oder Situationen zu, bei denen man das Gefühl hat, die Kontrolle zu verlieren und auf einmal passieren Dinge, die man gar nicht will.
Im wunderschönen Rom-Urlaub wurde mir nicht nur mein Bargeld, sondern auch meine Identität gestohlen. Da ich dies über Nacht nicht bemerkt hatte, sondern erst am nächsten Vormittag, war der Schock natürlich umso größer. Was macht ein Taschendieb innerhalb von 12h mit Kreditkarten und Bargeld? Die Abwägung der Antworten auf meine Hirngespinste und die geringe Chance, er würde vielleicht erst einmal eine Nacht darüber schlafen wollen, trieben mir Tränen in die Augen – mein Erspartes sollte einfach so weg sein? Gerade mir, einem Menschen, der nicht einmal wirklich sparen würde, wenn er könnte, wird jetzt das heiß geliebte Urlaubsgeld weggenommen?
Und abgesehen davon fiel mir ein, dass ich ohne Personalausweis ja gar nicht zurückfliegen konnte. Dass Botschaften sonntags geschlossen haben – die schlafen wohl nicht nur eine Nacht drüber – und mein Rückflug am Mittag des Folgetages war, machten das Ganze Chaos zwar eindeutiger, aber nicht besser.
Und so wird man in Situationen geschmissen, in denen man kaum etwas tun kann, außer zu warten und das Beste daraus zu machen. Das setzte ich dann auch um, mit dolce vita, sprich einer Flasche Wein und 3-Gänge-Menü. Wenn schon Geld weg, dann aber auch alles. Ich versuchte, diesen Moment der Ohnmacht für mich zu gewinnen, sozusagen auf meine Seite zu ziehen, und mir daraus das mitzunehmen, was ich brauchte, um ihn zu überstehen.
Was das war? Atmen. Und eine beruhigende Antwort auf die Frage, was das Schlimmste sei, das noch passieren könnte. Nach 3 Gläsern Wein hatten meine Freundin und ich auch das für uns beantwortet: sie müsse alleine nach Hause fliegen, während ich weiterhin bei unseren Freunden in Rom bleiben müsse, eben so lange, bis ich eine Identitätsbestätigung bekäme, um dann den nächsten Flug, den ich mir leisten könne, zu buchen.
Blleib isch hald noch bisssschen hieaaar, prostete ich, lies mich auf die Situation ein und meisterte mit Bravour alle nachkommenden Ereignisse.
Und jetzt sitze hier im kalten München, reingeworfen in den Alltag, und in das Haus, in dem ich nur wohne, weil es die perfekteste Lage der Stadt bietet. Im Gegensatz zu meinem unperfekten Nachbarn, dem ich immer zu laut bin. Angeblich rücke ich Möbel (ich habe mich an meinen Tisch gesetzt und dabei den Stuhl geschoben) ganz früh morgens (um 9:00h) und sei auch sonst laut, letzt hätte er Besuch gehört (ja, meine Freundin aus dem 3. Stock war zum Kaffeeklatsch da. Nachmittags, nicht nachts).
Uff. Schon wieder jemand in meinem Bereich, zwar keine Identität gestohlen, aber meine Ruhe.
Also stelle ich mich tot und danke dem Herrn für meinen Spion an der Tür, der meinen Nachbarn so schön verzerrt und parodiert, dass ich sofort wieder gut drauf bin.
Und während ich so weiter überlege, wie oft man das Gefühl hat, jemand Anderes würde das eigene Ruder ungefragt übernehmen, fällt mir der hübsche Italiener ein, der mir unaufgefordert einfach seine Jacke gab, als ich frierend an der Haltestation stand und insgeheim die Geschehnisse verfluchte. Ich bedankte mich sichtlich überrascht, zog sie an und bin fast umgekommen, weil sie so unverschämt gut roch, dass ich diesmal fast zum Dieb wurde. Die Tram kam, ich gab sie ihm – anständig, wie ich nunmal bin – zurück und hoffte, ein bisschen beschämt, dass er nicht merken würde, wie ich den Duft ausgeschnüffelt hatte.
Und auch fällt mir die Kanadierin ein, die letztendlich meinen Geldbeutel gefunden hat, darin nach meiner Identität suchte (und fand), daraufhin die Botschaft angerufen sowie mein Portemonnaie abgegeben hat.
Ja, solche Menschen dürfen gut und gerne Grenzen überschreiten. Ungebeten wohlgemerkt.
Und was mache ich jetzt mit meinem Nachbarn? Wenn er das nächste Mal klingelt und mir Korkunterlagen für Möbel andreht, dann lade ich ihn vielleicht zu einer Flüsterparty ein. Nur er und ich in Söckchen plus zwei Tassen Tee. Auf Untersetzern.
(Der Lärm, der Lärm.)
© Ani 2012
Na wie heißt es so schön im Film - the best exotic marigold hotel -: Am Ende ist alles gut und ist es nicht gut, dann ist es noch nicht das Ende!
AntwortenLöschenSomit lächeln wir doch über die kleinen Ärgernisse des Alltags, da es ja nicht unser Ärger ist, sondern der der Anderen.
Übrigends ein sehr schönes Bild....
si si! mille grazie, hase!
AntwortenLöschen