Sonntag, 18. März 2012

Der mit dem blauen (Hals-)Band


Frühling! Ja! Jaa!

Meine Jalousie weht im Wind und der Himmel wird dunkel. Wie schön, der erste Frühlingsregen liegt in der Luft und wischt alles Vergangene der letzten dunklen Monate nun endgültig weg. Das wusste auch schon der Herr Mörike und dichtete über die ersehnte Jahreszeit im 19. Jahrhundert.

Immer wieder toll, wie spontan der geliebte Jahreswechsel vor der Tür steht. Gerade habe ich mich noch gefragt, wie das weitergehen soll mit dieser Kälte und (Fanfare erklingen in der Ferne) - da war er: der Frühling.

Diese Übergangszeit darf man wahrlich nicht unterschätzen. Sie zeigt sich in meinen Lieblingsblumen, den Tulpen, in den Ballerinas, die wieder ausgeführt werden, in all den Cafés, die ihre riesigen Türen und Fenster öffnen, in lachenden Kindern auf der Straße.
Erst gestern hatte ich das Gefühl, mich an irgendeinem tollen, warmen Platz ganz woanders zu befinden. Ich lag in meinem Bett, hatte die Augen geschlossen und mir die Sonne ins Gesicht scheinen lassen. Meine Fenster waren offen und ich hörte all die Stimmen draußen auf der Straße. Es war wie an einem dieser frühen Abende in Italien, wo die Leute aus den Häusern kommen und auf den Straßen sitzen, Rotwein trinken, während pinke Vespas vorbeidüsen, vor sich hin hupen und alle Männer „Ciao, bella!“ rufen. Nicht kitschig, Amore pur.

Frühling ist immer Umbruchszeit und die Gefühle liegen in der Luft. Ob wir mittlerweile davon ausgehen, uns in dieser Jahreszeit verlieben zu müssen und es deswegen tun? 
Die Frühlingsgefühle stehen Kopf und zwar nicht nur bei mir, sondern auch bei vielen Anderen. So einige Zeitgenossen wiegen sich derzeit träumerisch durch den Tag und werden geschätzte 100 mal von Autos und Fahrrädern, angehupt, angefahren oder letztendlich überfahren.
Was ist nur los mit uns? Da scheint ein bisschen die Sonne, da wird’s ein paar Grad wärmer und auf einmal auch ums Herzilein. Da soll nochmal einer erzählen, die Menschheit sei nicht wetterfühlig.

Und doch hat das Ganze immer etwas Aufwühlendes im Handgepäck. Man fühlt sich wieder rastlos, möchte alles und zwar sofort, auf einmal sind die Karten wieder neu gemischt und man möchte nicht mehr zusehen, sondern mitspielen. Es ist wirklich aufregend zu betrachten, wie das Paarungsverhalten von vorne losgeht.
Während im Winter müde gelächelt wurde, wird nun über beide Ohren geflirtet, es werden Drinks ausgegeben und Reviere markiert.
Zeit, mal was zu tun. Aus allen Löchern kommen sie nun wieder gekrochen, die Singles, die anscheinend spätestens jetzt keine mehr bleiben wollen. Wie auf Knopfdruck werfen sie sich ihr blaues Band über und ziehen los, in den Rosen-, ne, anders, Tulpen-Krieg.

Forscher können den Zusammenhang zwischen der aufblühenden Stimmung in der Natur und der Empfindsamkeit der Menschen erklären. Die Natur erneuere sich und da der Mensch Teil dieser ist, zieht er unweigerlich mit. Das ist doch nett, das passt doch irgendwie.
Weiterhin wird allerdings erklärt, dass es nicht unbedingt der Duft von Maiglöckchen sei, der uns verzückt, sondern „der modrige Geruch von Moos und Laub, der in der Sonne verfault“ (Quelle Focus).
Na gut, das kann ja so stehen gelassen und nicht weiter kommentiert werden.

Wie auch immer, diese Aufbruchstimmung hat etwas Romantisches, es ist einem nach Sturm und Drang zumute und das nicht zu wenig.
Und irgendwie ist dieses Unentschlossene doch wirklich ein bisschen Magie für sich – man kann sich treiben lassen und nichts tun - wozu auch, man will ja heute das und morgen was ganz Anderes.
Gleiches ist beim Frühling auch zu finden – der April steht vor der Tür, genau der Monat, in dem immer alles möglich ist. Du gehst mit kurzen Hosen nach draußen und kommst nass bis auf die Knochen zurück. Oder du hast einen Regenschirm dabei und kehrst mit Sonnenbrand nach Hause.
Wunderbar, diese Abwechslung und Ungewissheit – man ist mal wieder gezwungen, innezuhalten und den nervenden Kopf auszuschalten. Genießen und mit Humor nehmen, und zwar den April und die sich überschlagenden Gefühle.
Denn ob es bei diesen Schmetterlingen im Bauch bleibt oder, ob sie in der erdrückenden Sommerhitze schon längst wieder passé sind, das weiß niemand so recht. Da kann ich nur schmunzelnd an die Weisheiten einiger Generationen vor uns zurückdenken: „Liebe vergeht, Hektar besteht.“

In diesem Sinne: Schmeißt euch in die blauen Gewänder und tanzt den Frühling – so oder so, es ist (frei nach Rilke) ein Fest, was man nicht verstehen muss, um es zu leben.

© 2012 Ani

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