Montag, 6. Februar 2012

Eine Liebeserklärung

Es ist halt immer ein bisschen dramatischer, als beim pragmatischen Typen.

Wir Künstler brauchen aus den unterschiedlichsten Gründen eine Plattform des Ausdrucks. Und es zählt gar nicht, wie gut oder schlecht jemand ist, sondern, dass es so ist.

Was vielleicht den Künstler vom Otto-Normal-Menschen unterscheidet, ist, dass er sein Talent früher entdeckt und das Gefühl hat, es ausleben zu müssen. Andererseits beschleicht uns doch alle eine Leere, die kaum auszuhalten ist. Das ist übrigens der Moment im Leben, in dem sich jeder auf die Suche nach seinem Talent machen sollte.

Hat man dann mal gefunden, was man kann und machen will, wird es in vielen Fällen weder vom Finanzamt, noch von der Künstlerkasse anerkannt. Allein das ist schon eine mittelschwere Katastrophe, aber noch lange nicht genug, denn der Künstler will mehr.
Künstler sein – und ich benutze dieses Wort ohne Wertung – ist Segen und Fluch. Aus einem bestimmten Grund möchte man das Drama leben, man möchte alles fühlen, was zur Auswahl steht, und am besten noch dafür gelobt werden. Aber gleichzeitig ist es doch meistens so, dass wir auch privat zu diesem Leben tendieren, das wir da manchmal darstellen (lassen).

Wir suchen und suchen, weil das Finden zu lange dauert.
Wir gehen zum Feiern nicht in den Keller, neuerdings aber in den Bunker.
Wir mögen vieles, was viele nicht mögen und sind grundsätzlich immer erst mal dagegen.
Wir sind nach kürzester Zeit unruhig, rastlos und fühlen uns getrieben.
Wenn wir uns gegenseitig kritisieren, sind wir entweder gnadenlos ehrlich oder verlogen.
Wir können schon von Weitem einen Künstler entlarven und bleiben auch sonst ganz gerne unter uns.

Das größte Drama der künstlerischen Welt kommt allerdings dann aus den Untiefen der Vorstellungskraft hervor, wenn sich zwei Verkappte dann auch noch verlieben.

„Weißt du, was mich so an ihm fasziniert? Seine Leidenschaft!“
„Hat dir sein Film gefallen?“
„Nein. Aber er hat ihn mit so viel Herzblut und so intim erzählt, dass er unglaublich viel Verantwortung dafür trägt.“
„Und worum geht der Film?“
„Keine Ahnung, ich war nur damit beschäftigt, ihn bei der Vorführung zu beobachten.“


Es ist die Leidenschaft, die treibt. Den eigenen Herzenswunsch voran und die des Anderen in dessen Arme. Weil Leidenschaft nun mal so unglaublich sexy ist, weil sie oftmals so unverständlich ist, weil sie anders ist und, weil sie in dieser hoffnungslos oberflächlichen Gesellschaft Einblicke in tiefe und zerstörerische Welten ermöglicht.

Leiden schafft. Sich etwas oder jemandem hinzugeben, heißt, sich zu verlieren. In der Sache oder demjenigen. Was ungesund scheint und auch ist, zaubert jedoch die tollsten Dinge hervor.
Leidenschaft schafft Leiden. Früher oder später. Viele Künstler sterben an Einsamkeit oder gebrochenem Herzen, weil sie in ihren eigenen Welten gefangen sind – nicht, weil die Kunst so böse ist, sondern, weil sie gar nicht wirklich aus dem eigens gebauten Gefängnis ausbrechen wollen.


Und Andere finden in ihrem Gegenüber auf einmal den idealen Partner. Er versteht die Hingabe, die Existenzängste, das unglaubliche Vertrauen in die eigene Arbeit und den minütlichen Verlust dessen. Er rät nicht dazu, was normales zu machen. Das schwierige an so einer Liebesbeziehung ist aber, dass beide ganz schnell die Bodenhaftung verlieren können. Es gibt ihn nicht, den pragmatischen Gegenpart, der Logik ins Gefühl bringen kann und einen ab und an sanft vom Höhenflug zurückholt.

Wir lieben unsere Kunst und doch suchen wir alle mit ihr nur das Glück. Mit der Leidenschaft im Nacken wird es halt oftmals komplizierter, als es sein müsste. Die Reise führt auf verschlungene Wege, vorbei an anderen Künstlern, die dir zunicken, während Otto mit dem Kopf schüttelt.

Ohne Leidenschaft gibt es allerdings keinen dieser tollen Filme, die uns nie wieder loslassen werden und auch nicht die Lieder, die uns immer wieder retten. Und es gäbe auch nicht das Bild, das uns fasziniert im Louvre sitzen lässt und uns dazu animiert, auch einmal auf Dinge zu achten, die vorher unwichtig erschienen.

Schon ironisch, dass ein so schönes und mit positiven Gedanken verknüpftes Wort einen so negativen Wortursprung hat. Vielleicht ein Hinweis darauf, dass immer etwas Schönes entstehen kann – egal, auf welchem Mist es wächst.

© 2012 Ani

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