Dienstag, 21. Februar 2012

Die Geschichte vom im Kern erschütterten Kartenhaus


Der Kernerschütterer ist nicht befugt, ein Kernerschütterer zu sein, wenn er sich entweder nicht dessen bewusst ist oder diesen Posten gar nicht möchte, ihn aber unbewusst ausübt.
(2. Buch, 1. Gesetz, A&K Gesetzbuch über den Umgang mit der Liebe)

Carrie sagt, dass es Menschen gibt, die dich im Kern erschüttern und diejenigen, die für dich da sind, wenn du im Kern erschüttert bist. Zweites sind meistens gute Freunde, Familie - oder Partner, für die du nicht mehr als Sympathie und Zuneigung empfindest.

Und dann ist da dieser Mensch, bei dem auf einmal alles still steht. Die Tür geht auf, du siehst ihn und alles, wirklich alles um ihn herum verschwimmt. Du merkst gar nicht, wie dich ständig andere anrempeln, wie viele dich ansprechen, weil du einfach gar nicht darauf eingehst. Du spürst diesen einen Blick und nur den und der zählt. Und wenn man sich dann berührt, bewusst oder unbewusst – und selbst das unbewusste Berühren ist definitiv ein bewusstes Suchen –, dann durchfährt es den kompletten Körper wie ein Blitz und genau in dem Moment hast du das Gefühl, dass alles gut ist. Nichts kann dir passieren, niemand kann dir weh tun, niemand kann dich übertrumpfen, hübscher oder intelligenter sein, interessanter wirken oder auf dich herabsehen. Alles ist perfekt. Und dann ist der Moment vorbei.

Ich kenne das ja nur aus Erzählungen und habe mir sagen lassen, dass es wohl ziemlich schwierig ist, mit so einem Kernerschütterer im Leben. Hat man ihn mal kennengelernt, fängt es an, dass man sich selbst wohl auch wiedermal kennenlernt.

Diese Menschen, die einem den Boden wegziehen, sind so faszinierend, angesichts dessen, dass sie es meist überhaupt nicht wissen. Sie haben keine Ahnung von ihrer unglaublichen Ausstrahlung und Anziehung. Sie machen das mit links und lächeln ein Elmex-Lächeln, was auch noch unglaublich sympathisch, anstatt aufgesetzt, ist. Sie sind locker, fröhlich und leicht, jedenfalls in deinen eigenen Augen. Sie machen irgendwie alles richtig, was du falsch machst. Aber wohlgemerkt alles nur so nebenbei und das ist der Punkt, der dann so unfair erscheint.
Hat jeder das Potenzial, ein Kernerschütterer zu sein? Rufst du vielleicht gerade auch deine Mama an, um ihr zu erzählen, dass du mich nicht aus dem Kopf bekommst – oder bin das nur ich? Ist man überhaupt fähig, in der Umgebung eines solchen Menschen eine klare Entscheidung zu treffen?

Die rauben einem doch nur den Schlaf und sie wissen es nicht, weil sie unbekümmert schlummern und nach dem Aufstehen überlegen, ob Montag oder doch Freitag sei. Machen sich Kernerschütterer auch so ihre Gedanken und fragen sich, ob es da jemanden gibt, der sie mag? Können die selbst erschüttert sein? Das wäre ja was.

Im Kern erschüttert zu sein, ist eine Bezeichnung, die schon vor langer Zeit mal meinen Weg gekreuzt hat und mich seither so fasziniert. Das ist schließlich mein eigener Kern, um den es da geht. Kein Mensch kann mehr eingreifen, als auf diese Art und Weise. Dem eigentlichen Nichts-Tun.

Und dann fragt sie, warum man sich denn drauf eingelassen hätte und die Andere entgegnet:

Sag mir, wie man eine weise Entscheidung trifft, wenn ein Erdbeben über einen hereinbricht? Wenn du mir das sagen kannst, wäre ich sehr dankbar, denn dann wüsste ich nämlich ansatzweise, wie ich wieder heil nach Hause komme.

In solchen Angelegenheiten bietet sich mir oft der Vergleich des Kartenhauses. Was eine unglaublich konzentrierte Arbeit darstellt, ist am Ende so fragil und instabil. Aber es steht, das Haus, und sieht erhaben aus. Und dann kommt einer daher und zieht die unterste Karte raus.

Ich wage zu behaupten, dass man immer, wirklich immer, mit entscheidet, ob da jemand dein Häuschen zum Einsturz bringen darf.

© Ani 2012

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