Nachts schließe ich die Tür auf, schlüpfe auf Zehenspitzen hinein und ermahne mich dabei, bloß leise zu sein, um meinen Hund nicht zu wecken, weil sie sonst schwanzwedelnd und vor Freude bellend über den glatten Holzboden fetzt, auf mich zu stürmt und damit das ganze Haus aufweckt. So, wie immer halt. Und dann merke ich, genau in dem Moment, in dem ich die Wohnung betrete, dass sie nie wieder auf mich zurasen wird, mit ihrer unglaublichen Fröhlichkeit.
So wie’s halt immer war.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Er leidet wie ein Hund – wie passend – , wenn sich Dinge verändern. Er klammert sich an alltägliche Abläufe, weil er Angst hat vor Veränderung, vor Verlust und vor allem vor dem Loslassen.
Loslassen – wie oft wird dieses Thema in meinem Freundeskreis debattiert. Wann ist es Zeit, Dinge oder Menschen zu verlassen? Oder, andersrum: wie lange kann man sich Zeit lassen, festzuhalten, obwohl schon längst alles der Vergangenheit angehört? In dieser zu leben ist das beste Beispiel für Kontraproduktivität, das wissen wir alle, aber wieviele leben wirklich in der Gegenwart?
In einer der besten Serien, die jemals über den Bildschirm stolziert ist, wird festgelegt, dass man genau die Hälfte der Zeit, in der man in einer Beziehung war, zur Trauer benötigen kann... darf... vielleicht sogar muss. Interessant, dachte ich mir, und fing unweigerlich an, an meinen Fingern die Monate meiner eigenen Trauer abzuzählen, bis ich beschloss, dass knapp drei Jahre Trauer dann doch mehr als verschwendete Zeit wären. Ein neuer Plan musste her.
„Ich plane nie, wozu auch?“, ein Satz, der mich schon seit langer Zeit beeindruckt und den ich versuche zu leben und zwar jeden Tag. Wir werden heutzutage von Weisheiten erschlagen und sollten anfangen, unsere eigenen zu kreieren, sind wir doch schon lange genug hier, um mal ein bisschen schlauer geworden zu sein.
Bist du schlauer geworden? Oder baust du immer noch den gleichen Mist?
Ich glaube, wenn man sich mit dem Lauf des Lebens beschäftigt, kommt man auch besser damit klar, dass es einfach so ist, wie es ist und man seine Zeit nicht dafür hernehmen sollte, die Vergangenheit ändern zu wollen. Vorwürfe zu machen für Entscheidungen, die längst gefallen sind. Und uns meist immer an einen Punkt gebracht haben, der letztendlich dann doch der richtige war. Aha-Effekt? Aber sowas von.
Loslassen – das Zauberwort des Glücklich-Seins. Wenn man sich mal anschaut, wieviele in alten Beziehungen stecken und keinem anderen eine neue Chance geben können. Wenn man sich mal überlegt, wo oft man nicht aus seiner eigenen Haut kann, obwohl man doch so sehr möchte. Ich habe einen Freund, der öffentlich für seine Meinung eintritt und alle anderen kritisiert, die genau das leben, was er eigentlich möchte. Tragisch, diese Maskerade, denn sie trägt ihn gerade nur in die Einsamkeit.
Ich weiß nicht, ob es etwas schwierigeres gibt, als das zu akzeptieren, was man nicht akzeptieren will. Wenn man sich mit allen Mitteln dagegen wehrt und lieber mit seiner Lieblingsdecke auf dem kalten Boden nächtigt, weil man nicht weiß, wie man jetzt auch noch aufstehen soll.
Seitdem ich angefangen habe, ganz genaue Vorstellungen in meinem Kopf zu haben, aber damit klarzukommen, dass ich auch über Umwege ans Ziel kommen kann, fliegen mir die Dinge zu und ich laufe dauergrinsend durch den Spätsommer.
Let go. – Das ist 'ne komplette Lebenseinstellung. Heißt ja nicht, dass man nicht ein bisschen weinerlich sein darf. Oder jammern darf. Aber es muss ja nicht jeder mitbekommen, mal abgesehen vom inner circle. Das Gute daran ist ja, dass nicht nur schöne Momente vorbeiziehen, sondern, dass jede Trauer auch ein Ende hat, bzw. sich verformt und man lernt, damit zu leben und trotzdem glücklich zu sein.
Eugène Ionesco hat mal gesagt: „Die Zukunft ist unser Hemd, aber die Gegenwart ist unsere Haut.“
Genialer Satz. Ich kann der Gegenwart nie entfliehen - besser ist es - aber ich kann entscheiden, wie die Zukunft aussehen soll. Und dann ziehe ich sie mir einfach an.
© 2011 Ani
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