Was ich grundsätzlich nie verstanden habe ist das Pinkeln im Stehen.
Warum?
Sichtlicher Vorteil ist der Hygienefaktor, schon klar.
Aber was ist denn los, wenn der gute Herr sich eben gerade nicht in den Fängen einer öffentlichen Toilette befindet, sondern in der Wohnung seiner Freundin? Warum pinkelt ein Mann im Stehen und klappt danach nicht einmal die Klobrille nach unten, wenn er doch weiß, dass er sich in einem Bad voller weiblicher Gegenstände in einer Wohnung voller Weiblichkeit befindet? Er denkt sich nichts dabei? Er macht sich nicht einmal die Mühe, darüber nachzudenken, dass solch eine Aktion, äh, unpassend ist? Ist so etwas als Kompliment zu sehen, ein versteckter Liebesbeweis, weil er dadurch Vertrautheit signalisiert?
Jeder Mensch würde lügen, wenn er leugnen würde, dass er sich nicht ab und an in einer unangenehmen Situation befinden oder eventuell die ein oder andere Konversation unter der Gürtellinie führen würde. Aber ich möchte hier mal wieder dezent auf den Unterschied zwischen Männern und Frauen eingehen.
Uns ist fast alles peinlich. Männern ist fast alles egal.
Die Krönung des Ganzen ist dann aber natürlich die, dass, wenn die Frau ihr eigenes Bad betritt und sich ein Bild des Grauens, sprich eine hochgeklappte Toilettenbrille, offenbart, sie diese schleunigst nach unten klappt, sich die Hände wäscht und sich schämt. Wegen der Gesamtsituation.
Wo bleibt da denn die Fairness für's schwächere Geschlecht? Ich finde, dass wir da doch sehr auf der Strecke bleiben, weil wir einmal mehr unser Feingefühl unter Beweis stellen (müssen).
Im Allgemeinen ist ja die allseits bekannte Fremdscham (der Ursprung ist übrigens auf einen Zuschauer einer der ersten Talkshows Mitte der 90er zurückzuführen) auch eher ein Problem von Frauen. Wir sind einfach sensibler gepolt, nachdenklicher und haben grundsätzlich weniger Selbstbewusstsein, als wir uns zugestehen sollten. Daher schämen wir uns mit anderen gleich mal automatisch mit - man weiß ja nie.
Jedenfalls lassen sich diese Gedanken weiterspinnen und finden einen anderen, intimen Punkt: Unterwäsche. Bei. Männern.
Man(n) sollte meinen, dass er einschätzen könnte, welche Bekleidung zu seinem eigenen Körper passt - und welche eben nicht. Dies ist leider nicht immer der Fall. Während ich seitens meiner Freundinnen immer wieder höre, wie viele Gedanken sich diese hübschen Geschöpfe darüber machen, ob sie angesichts ihres Allerwertesten lieber doch zu bedeckenderen Panties greifen sollten, stellt sich der Anabolika-Typ mit heroischem Grunzen vor den Spiegel - dressed very tightly around the belly. Und zwar so was von eng, dass man aus der Suche nach dem Textil gleich eine Safari starten könnte. Solche Exemplare gibt es übrigens auch wahlweise in Neongrün und mit Playboy-Aufdruck. Varianten wie diese sind übrigens nur in den Geschäften zu finden, um ignoriert zu werden.
Alles in allem geht es der Frau in so einigen Situation wirklich an die Substanz, was sich dann dadurch äußert, dass sie sich nicht mal traut, es zu erzählen und sich dadurch davon frei zu machen.
Natürlich könnte sie auch solche Themen bei ihrem Liebsten ansprechen, aber ich schätze mal, dass wir uns alle vorstellen können, dass das nicht nur die Romantik killt, sondern eventuell ganze Beziehungen. Männer haben's ja nicht so mit Kritik. Also kann man ja dann auch gleich Schluss machen, denkt sich die Frau.
Und wenn sie sich wieder gefangen hat, dann nimmt sie all ihren Mut zusammen und erzählt ihre Erfahrungen in einer netten Runde - in der Hoffnung, dass diese Geschichten unter der Hand verbreitet werden. Während sie sich nun Mut antrinkt und ihre Erlebnisse mit der Weltöffentlichkeit teilt, fangen alle Beteiligten an, sich mitzuschämen. Und derjenige, der es nicht tut, ist somit entlarvt und einer der Übeltäter. Eigentlich eine feine Sache, diese Fremdscham, wenn sie nicht im Grunde so viel verlangt wäre. Man leidet ja auch mit, irgendwie.
© Ani 2011
Da hast Du Dich mal wieder selbst übertroffen...Descartes lässt grüßen!
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