Dienstag, 11. Oktober 2011

Deutsche Sprache, verlässliche Sprache.

Als ich im Duden das Verb „verlassen“ nachschlagen wollte, fiel mir schnell auf, was für gegensätzliche Bedeutungen es hat. Grundsätzlich wollte ich eine schöne Definition bzgl. Freundschaft finden. Sich auf Menschen verlassen können, in jeglicher Hinsicht.
Doch wenn man vom Akkusativ in den Dativ wechselt, dann kommt dieses Wort hinterhältig aus einer dunkeln Seitengasse gehüpft und erinnert einen daran, dass man auf genauso hinterhältige Weise verlassen werden kann. Jedenfalls schlägt der Duden diese Variante vor.
Wie kann es denn bitte sein, dass dieses Wort so unterschiedliche Bedeutungen haben kann? Ich finde das verwirrend. Oder, dachte ich mir, hat es damit zu tun, dass man sich öfter mal auf die Intuition verlassen sollte (aha?), dass man früher oder später sowieso von dem einen oder anderen verlassen wird?
Grübelnd saß ich da und versuchte mein Gespinst im Kopf zurecht zu spinnen, ohne mich weiter zu verzwicken.

Auf wen kann man sich also verlassen? Geistig zog ich meine Uroma zu Rate, die meiner Mama und somit auch mir immer geraten hatte, nicht mehr gute Freunde zu haben, wie man an einer Hand abzählen kann. Gut, damals im Krieg, da musste man schon aufpassen! Also darf man heutzutage so ein bis zwei  Menschen dazuzählen. Leise zähle ich ab und stimme schnell zu. Passt.

Auf was noch?
Mein persönlicher Guru sagt: sei dir selbst der beste Freund. Das finde ich auch unglaublich passend, schließlich trage ich selbst ja jeden Tag meine Probleme, meinen Speck, meinen Wirrwarr im Kopf und Herzen mit mir selbst herum – wow, jetzt merke ich erst, was ich mir da immer aufhalse. Ok, gebongt, ich habe gar keine andere Wahl, ich muss mir selbst die beste Freundin sein.

Und was ist mit dem anderen, mit diesem blöden verlassen werden? Statistisch gesehen trennt sich jedes zweite Pärchen innerhalb der darauffolgenden 18 Monaten. Schon seltsam und irgendwie auch passend, denn ich kann wirklich an einer Hand die Streitereien mit Freundinnen abzählen, während ich gedanklich zu der Göttin Kali mutiere, sobald ich versuche, die Auseinandersetzungen mit Männern erfassen zu können. Klar, macht Sinn,  da wir Frauen uns auf unser Recht verlassen können, gibt’s halt Streit mit den Männern.
 
Ich mag den Akkusativ lieber. Ich habe definitiv die 5+ Freunde, die ich nachts um 5 Uhr rausklingeln darf (ohne schlechtes Gewissen). Ich kann mich auch darauf verlassen, ab übermorgen bei Wein, Weib (Freundin) und Gesang in einem kroatischen Hafenrestaurant zu sitzen, eventuell darüber philosophierend, welche Freundin kürzlich mal wieder verlassen wurde. Oder sogar selbst verlassen hat? Dieses Wort hat es definitiv in sich.
Ein Beispiel zum Abschluss, welches Männer und das Verb vereint: wenn ein Mann krank wird, kann man sich immer darauf verlassen, dass er qualvoll stirbt, immer und immer wieder. Denn mein Vater liegt mit zwei gezogenen Weisheitszähnen zuhause und kann nicht sprechen. Meinen ersten Gedanken „wie angenehm“ schob ich schnell weg und schrieb ihm eine aufmunternte SMS: „Armer Papa. Kussi auf Zahni.“ Auf was ich mich verlassen konnte war, dass binnen Sekunden folgende Nachricht zurückkam: „Ich sterbe…“
© 2011 Ani

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