Ich
verstehe das nicht.
Anders,
ich verstehe sie nicht. Die Männer.
Lange
Zeit habe ich eingesehen, dass wir Frauen durch die Bank
komplizierter sind, als die Anderen. Schon klar, wir meinen ja,
wenn wir nein sagen. Weil wir uns halt zieren und durchschaut
werden möchten. Im Prinzip doch nicht so schwer. Wir können sehr
launisch sein, wenn auch nur ein falsches Wort fällt, ach, es reicht
schon eine Betonung, die sich um einen Halbton verirrt hat. Auch
wahr: Frauen können im Sekundentakt ihre Meinung ändern und
erwarten von den Männern, dass sie damit Schritt halten.
Gut
ok, so ist es, das macht ja aber auch Spaß und das ganze Spiel
interessant.
Aber
neuerdings sind die Karten gemischt und die Männer fangen an, sich
divenhaft zu benehmen. Es tut mir im Voraus um die männlichen
Ausnahmen Leid, aber ich muss pauschalisieren, um das mal zu
verdeutlichen, was ich gerade in großem Ausmaß beobachte.
Also,
der Mann wird zur Maus. Da habe ich eine Freundin, die schier erobert
wurde von einem Kerl. Er hat nicht locker gelassen, obwohl er wusste,
dass sie noch so halb in einer scheiternden Beziehung steckte. Es
folgten Dates, der perfekte Kuss zum perfekten Zeitpunkt (da hatte
wohl jemand recherchiert) und darauffolgende Treffen, wie man sie
sich vorstellt. Bilderbuchromanze.
Sie:
Schweigt und genießt. Stellt keine unangenehmen Fragen, verzichtet
auf Über-Emotionalität. Er: Kriegt Panik aus dem Nichts und lässt
den allseits bekannten und meistverfolgten Satz des Planetens fallen
- „mir geht das zu schnell.“ Huch? Moment, zurückspulen. Dem
Mann geht es zu schnell, obwohl er ritterlich erobert hat, sich jeden
Tag gemeldet hat und das Mädel kein einziges Mal nachhakte, was denn
jetzt eigentlich das Ganze bedeute?
Tja,
da kommt der Angsthase dahergehoppelt und nicht nur in dieser
Geschichte, nein, auch in ganz anderen. Wir haben gelernt, keinen
Druck auf Männer auszuüben, nicht loszuweinen, wenn unliebsame
Sätze fallen und auch sonst lieber auf den Anruf warten und
vergessen zu essen, zu trinken oder zur Arbeit zu gehen, als sich
selbst zu melden. Wir halten alle Regeln ein, um dann am Ende zu
hören, dass es zu schnell gehe, dass die Gefühle Angst machen
würden, dass man sich so sporadisch melde, weil man sich ja sowieso
schon vor dem nahenden Abschied fürchte.
Was
ist denn bitte da los, wieso verkriecht sich die Männlichkeit
derzeit in jeder noch so dunklen Ecke?
Natürlich
gibt es Ausnahmen. Der ein oder andere von den Anderen wird jetzt
laut schnauben und mit tausend Gegenbeispielen kommen, schon klar,
aber die durchschnittliche Tendenz geht meiner Meinung nach zu einem
Wort: Angsthasen.
Männer
haben Angst vor Gefühlen, weil sie mal mit 15 Jahren von der
Anneliese keinen Kuss bekommen haben und seitdem lieber vorsichtig
sind und abends lieber gemütlich ein Bier mit dem Kumpel trinken,
als auf Brautschau zu gehen. Männer haben Angst, sich zu binden,
weil sie in dem Glauben leben, dass wir Frauen dann innerhalb der
kommenden sechs Monate erwarten würden, dass Antrag, Haus und Kind
folgen müssten – ohne Ausnahme und in genau der Reihenfolge.
Ich
verstehe das nicht. Meine Freundinnen, die gerade diese Erfahrungen
machen müssen, stehen da und fragen sich nächtelang, was sie denn
ausgestrahlt haben, dass solche Geschichten immer wieder diese
Wendung nehmen.
Es ist
ja nicht so, dass wir diese Ängste nicht selbst kennen. Mit uns
wurde z. B. schon per Skype Schluss gemacht, was definitiv mehr weh
getan hat, als die Sache mit der Anneliese. Und trotzdem sagen mir
aktuelle Beobachtungen immer wieder, dass Frauen in Sachen Liebe
einmal mehr aufstehen. Ob wir nun allgemein mutiger sind oder wir uns
evolutionsbedingt dauerhaft dazu angetrieben fühlen, den richtigen
Mann zur Familiengründung zu finden, bleibt ungewiss.
Wenn
man die Schlagworte „Männer Bindungsangst“ googelt, kommen
23.600 Ergebnisse, darunter Buchvorschläge (für Frauen, die einen
Mann mit Bindungsangst an der Backe haben), Foreneinträge, wo man
sich austauscht (Frauen, nicht Männer) und Artikel aus...? Genau,
Frauenzeitschriften. Zufall?
Interessant.
Ein Thema, das beide Geschlechter betrifft, aber nur von der
weiblichen Seite thematisiert wird. Hat da jemand vielleicht Angst
vor der Wahrheit?
Mein
Anderer schaut ja neuerdings Sex and the City. Die Begründung liegt
darin, dass er glaubt, mich dadurch besser verstehen zu können.
Manchmal lacht er sogar und Mr. Big mag er. Klar, der hat ja sechs
Staffeln lang Bindungsangst.
© Ani
2012